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4. Mai 1968

Letzte Straßenbahnfahrt nach Saarn

Als am 9. Juli 1897 die erste elektrische Straßenbahn auf der rechten Ruhrseite durch Mülheim fuhr, gehörte die Gemeinde Saarn noch – bis zur Eingemeindung 1904 – der Bürgermeisterei Broich an. Links der Ruhr rollte aber auch schon seit 1882 vom Duisburger Bahnhof eine Dampfstraßenbahn, die 1888 bis zur Haltestelle Rosendahl erweitert wurde. Diese hatte, und das ist heute immer noch so, die Regelspurbreite (1435 Millimeter), die Mülheimer fuhr auf Meterspur. Schon um die Jahrhundertwende konkurrierten die Mülheimer und Duisburger Straßenbahn Betreiber um zwei Straßenbahnlinien links der Ruhr. Bei der einen Linie handelte es sich um die Anbindung der geplanten Gartenstadt im Speldorfer Wald, bei der anderen um die Strecke nach Saarn. 

Eine entscheidende Voraussetzung, die beiden Ruhrseiten per Straßenbahn zu verbinden, war der Bau einer neuen Ruhrbrücke anstelle der 1844 fertiggestellten Kettenbrücke. Über ihre fünf Meter breiten Holzbohlen konnte keine Straßenbahn fahren. So galt die Ruhr bis dahin als natürliche Straßenbahn-Grenze. 1909 wurde deshalb die alte Kettenbrücke abgerissen und machte so ihrer doppelt so breiten Nachfolgerin Platz, die am 24. Februar 1911 eröffnet wurde. Diese (alte) Schlossbrücke bot mit ihren drei Fahrspuren genügend Platz und war stabil genug für die Flussüberquerung per Straßenbahn. Gleichzeitig mit dem Brückenbau begannen die Gleisbauarbeiten in Broich und Saarn, so dass ab dem 1. Juni 1911 bereits die erste Bahn vom Rathausmarkt kommend an der heutigen Mühlenberg-Kreuzung nach Saarn abbiegen konnte. Diese Strecke wurde ab dem 6. August 1911 bis zum Mülheimer Bahnhof (heute Bahnhof Mülheim-West) verlängert. Außerdem erhielt die Düsseldorfer Straße mit dem eingleisigen Schienenbau für die Straßenbahn ein Kopfsteinpflaster. 

Nicht nur am Klostermarkt wurde es in den 57 Betriebsjahren dieser Strecke immer wieder zu eng. Die Endstation wurde zweimal umgebaut, Anfang der 1930er Jahre mit dem Ausbau der „Reichsstraße 1“ und 1954, als ein Gleisdreieck zum Wenden gebaut wurde. Jedoch hatte die als Verkehrshindernis wahrgenommene Straßenbahn gegen die zunehmende Motorisierung auf Dauer keine Zukunft mehr. So sahen es die Verkehrsplaner in ihrem 1967 erstellten Generalverkehrsplan, der die Einstellung dieser Strecke vorschlug, dem die Stadtverordneten mit ihrem Ratsbeschluss folgten.

Ab 16 Uhr am 4. Mai 1968, einem Samstag, durften die Fahrgäste bis 00.45 Uhr kostenlos einsteigen und wurden von den Schaffnern mit Schnaps und Likör bewirtet. Auf den mit Kränzen geschmückten Straßenbahnwagen der Linie 11 stand seitlich „Letzte Straßenbahn nach Saarn“. Bei strömenden Regen spielte die Kapelle der Betriebe der Stadt am Klostermarkt. Gegen 22 Uhr entgleiste dann noch in der Wendeschleife am Klostermarkt eine Bahn, weil Kinder Steine auf die Schienen gelegt hatten. Die letzte Bahn fuhr dann um 00.45 Uhr vollbesetzt mit singenden und schunkelnden Fahrgästen von Saarn bis zur Stadtmitte.

Diejenigen, die sich eine Straßenbahn nach Saarn zurückwünschten, konnten angesichts der Tatsache, dass der neue Generalverkehrsplan eine alternative Straßenbahnverbindung zum Dorf aufzeigte, beruhigt sein. Ihre Streckenführung sollte vom Waldschlösschen in die Diedenhofer Straße, von dort durch das Bühlsbachtal zur Saarner Kuppe, am heutigen Schulzentrum vorbei über die Straßburger Allee bis zum Parkplatz an der Quellenstraße verlaufen. Dieser Plan wurde aber nie realisiert, auch wenn immer wieder Vorschläge für eine Straßenbahn nach Saarn diskutiert werden.

(Fe)