
Betriebsaufnahme der Sellerbecker Pferdebahn
Noch bevor Mülheim an der Ruhr 1862 einen Anschluss an das sich rasch entwickelnde Eisenbahnnetz erhielt, gab es hier bereits eine eigene Eisenbahn, die am 15. Januar 1839 ihren Betrieb aufnahm und Kohlen von der Zeche Sellerbeck in Winkhausen zu den Kohlemagazinen an der Ruhr transportierte. Da es sich hierbei zwar im zeitgenössischen Sprachgebrauch um eine Eisenbahn handelte – die Bahn lief tatsächlich auf eisernen Schienen – , die Wagen aber teilweise von Pferden gezogen werden mussten, sprach die Bevölkerung etwas respektlos von der „Padsbahn“ (Pferdebahn). Solche Pferdebahnen waren seit dem Ende des 18. Jahrhunderts insbesondere in den Bergbauregionen Englands und Deutschlands zum Transport von Kohle und Erz verbreitet. Häufig dienten sie dem Transport von den Bergwerken hin zu Wasserwegen, die in Zeiten schlechter Straßen und unzureichender Transportmöglichkeiten über Land den wichtigsten Transportweg darstellen. Für die Ruhrkohle war dies natürlich die Ruhr und Mülheim durch seine Lage der optimale Umschlag-, Handels- und Verladeplatz.
Nach Abteufung des Schachtes Müller der Zeche Sellerbeck ab den frühen 1830er Jahren dachten die Zechenbesitzer, unter ihnen Mathias Stinnes, über eine Optimierung des Kohlentransports zur Ruhr hin nach, ließen sich doch die auf Sellerbeck geförderten Kohlenmengen schlicht nicht mehr auf Schubkarren von so genannten Kohlenschiebern oder auf herkömmlichen Pferdewagen an die Ruhr bringen. Als 1837 der Bau einer eigenen Pferdebahn beschlossen wurde, spielte bei den Planungen offenbar keine Rolle, dass bereits zwei Jahre zuvor mit der „Bayerischen-Ludwigsbahn“ zwischen Nürnberg und Fürth die erste „richtige“, nämlich dampfbetriebene Eisenbahn Deutschlands gefahren war. Gegen einige Widerstände – die etwa 200 Kohlenschieber der Zeche Sellerbeck fürchteten durch den Bau der Bahn um ihre Arbeitsplätze, Grundstücksbesitzer wollten die benötigten Flächen nicht verkaufen usw. - wurde die Pferdebahn schließlich gebaut und nahm am 15. Januar 1839 ihren Betrieb auf. Ihre Wagen wurden durch das Gefälle auf der 3.400 Meter langen Strecke zur Ruhr hin bewegt, lediglich zur Überwindung eines geraden Abschnitts und für den Rücktransport der leeren Wagen wurde ein Pferd mitgeführt. So wurden täglich knapp 2.500 Zentner Kohlen transportiert und die Transportkosten der Zeche deutlich gesenkt. Für mehr als 20 Jahre blieb die Bahn in Betrieb, bis sie durch Dampfzüge überflüssig wurde.
(Ra)