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Das Arbeitserziehungslager (AEL)

Der Flughafen Essen/Mülheim ist in den letzten Jahren immer wieder in den Schlagzeilen gewesen. Regelmäßig werden heftige Diskussionen um seine Schließung wegen Fluglärmbelästigung der Anwohner geführt. Viele kennen ihn auch als Heimathafen der Segelflugschule und des Luftschiffes, das seine Werberunden über den Ruhrgebietsstädten zieht. Weniger bekannt ist jedoch, dass der Flugplatz während des Zweiten Weltkrieges durch Zwangsarbeit von ausländischen und deutschen Häftlingen seine heute noch sichtbare Gestaltung erhalten hat.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war 1939 der Flugverkehr in Essen/Mülheim eingestellt worden. Der kleine kreisrunde Zivilflugplatz aus dem Jahre 1925 sollte ausgebaut und mit modernen Start- und Landebahnen versehen werden, damit der Flughafen für militärische Zwecke genutzt werden konnte. Dazu suchte man dringend Arbeitskräfte. Dies war jedoch infolge des damaligen großen Arbeitermangels, der seit Kriegsbeginn durch die Einberufungen der Wehrmacht war, nicht leicht zu bewerkstelligen. In dieser Situation traten Vertreter der Essen/Mülheimer Flughafengesellschaft in Verhandlungen mit der Gestapo.

Der Inspekteur der rheinisch-westfälischen Gestapo suchte damals Partner für die Einrichtung von Polizeihaftlagern, die zur abschreckenden Züchtigung von Arbeitern gedacht waren, die dem "Gebot der nationalen Arbeitsdisziplin" nur nachlässig folgten, indem sie in ihren Betrieben häufig unentschuldigt fehlten, krankfeierten oder ihren Arbeitsplatz ohne die erforderliche Erlaubnis des zuständigen Arbeitsamtes aufgaben. Für die Bekämpfung all dieser "Arbeitsdelikte" hatten sich spätestens seit Kriegsbeginn die Beamten der Staatspolizeistellen zuständig erklärt.

Im Zuge der forcierten Kriegswirtschaft waren die Rüstungsunternehmen auf jeden Beschäftigten angewiesen, um die mit dem Regime vereinbarten Produktionssteigerungen erfüllen zu können. Die individuelle Resistenz der deutschen Arbeiter gegen die ständig steigenden Arbeitsbelastungen erreichte jedoch zu Beginn des Krieges eine Höhe, die weder Unternehmensführungen noch Militärvertreter und Arbeitsbehörden hinnehmen wollten. So hatte die Dortmunder Gestapo bereits im August 1940 das erste polizeiliche "Arbeits- und Erziehungslager" bei Lüdenscheid errichtet. Im April 1941 folgte die Gestapo Münster mit der Gründung eines "Arbeitserziehungslagers" in Recklinghausen.

Zur gleichen Zeit hielten die nationalsozialistischen Sicherheitsorgane aber die Einrichtung eines weiteren Lagers zur abschreckenden Bestrafung der in wachsenden Zahlen aus dem zwangsweisen "Arbeitseinsatz" in ihre besetzte Heimat flüchtenden Niederländer, Belgier und Franzosen für erforderlich. Der Essen/Mülheimer Flughafen bot sich wegen seines militärisch begründeten Arbeitskräftebedarfs als geeigneter Lagerstandort an, da die Polizei die meisten "Westarbeiter" an der holländischen Grenze aufgriff und von dort leicht zum Flughafen transportieren konnte.

Im Juni 1941 wurde das Essen/Mülheimer Arbeitserziehungslager für etwa 500 Gefangene in leerstehenden Holzbaracken am westlichen Rand des Flugplatzes in der Nähe der Brunshofstraße, nicht weit von der Flughafensiedlung, eröffnet. Es war von einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben, an dem nach Aussagen ehemaliger Häftlinge ein Wachturm stand. Zur Brunshofstraße hin war das Lager durch eine Hecke vor dem unmittelbaren Einblick abgeschirmt. Außerdem befanden sich im Lager noch ein gemauertes Verwaltungsgebäude und ein Betonbau mit Duschen.

Die Führung und Verwaltung des Arbeitserziehungslagers (AEL) übernahmen zwei Kriminalbeamte der Kölner Gestapo. Das Essener Polizeipräsidium stellte zur Bewachung 26 Schutzpolizisten ab. Unter diesen Wachtmeistern befanden sich nur drei Angehörige der aktiven Polizei, die anderen waren Polizeireservisten. Sie waren erst im Laufe des Krieges zur Polizei eingezogen worden, stammten meist aus dem Mittelstand und waren in ihren zivilen Berufen selbständige Handwerker und kleine Gewerbetreibende gewesen. Die Wachmannschaften waren mit den Dienstanzügen der Schutzpolizei bekleidet und trugen den Stahlhelm. Bewaffnet waren sie mit der eigenen Dienstpistole und dem Seitengewehr. Beim Postendienst trugen die Männer zusätzlich ein Gewehr im Anschlag.

Nur die rheinisch-westfälischen Staatspolizeistellen durften Häftlinge ins AEL Flughafen einweisen. Als Haftdauer waren sechs Wochen vorgesehen, es gab jedoch im weiteren Verlauf des Krieges zahlreiche Gefangene, die wesentlich länger im Lager inhaftiert blieben. Grundsätzlich sollte die Haft in den Arbeitserziehungslagern aber zeitlich begrenzt sein und sich in dieser Hinsicht von den Konzentrationslagern unterscheiden.

Die überwiegende Mehrheit der Gefangenen auf dem Flughafen waren junge Ausländer aus den Niederlanden, Frankreich und Belgien. Aber auch Deutsche, Polen, Jugoslawen und Ukrainer waren im Lager inhaftiert. Die meisten der Ausländer waren gegen ihren Willen für den "Arbeitseinsatz" nach Deutschland zwangsrekrutiert worden und hatten sich aus den unterschiedlichsten Gründen wieder auf den Weg nach Hause zu ihren Familien gemacht. Für die Nationalsozialisten waren sie "Arbeitsvertragsbrüchige", die von der Gestapo verfolgt wurden. Im Lager waren sie von den deutschen AEL-Gefangenen durch Stacheldraht getrennt untergebracht. Ein Kontakt zwischen Deutschen und Ausländern sollte verhindert werden.

Die Deutschen wurden gegenüber den ausländischen Häftlingen etwas besser behandelt, sie bekamen nahrhafteres Essen und wurden nach ihrer Haftzeit meist vom Lager aus entlassen, mit der Auflage, sich unverzüglich wieder zur Arbeitsaufnahme zu melden. Die Ausländer wurden dagegen als Gefangene auf einer oft monatelangen Odyssee durch verschiedene Polizeigefängnisse zu ihren alten Arbeitsstellen zurückgeschafft. In der Anfangszeit erhielten deutsche AEL-Häftlinge am Tag ihrer Entlassung noch den niedrigen Tariflohn für ungelernte Arbeiter ohne jede Zuschläge ausgezahlt, wovon die Haftkosten abgezogen wurden.

Die Haftbedingungen im AEL Flughafen waren von Anfang an überaus schwer. Die "Arbeitserziehung" bestand vor allem in entmenschlichter Zucht und völliger Erniedrigung der Gefangenen. Die "Erziehungsarbeiter" sollten "vollkommen kaserniert und in ihrer Freizügigkeit vollkommen eingeengt" werden, während sie eine tägliche Arbeitszeit von 12 Stunden abzuleisten hatten. "Erziehungsziel" war, "renitente Elemente" entweder zur "Vernunft" zu bringen oder sie "endgültig in ein Konzentrationslager" zu überführen. Das bedeutete, dass es die Aufgabe der Arbeitserziehungslager war, die Eingelieferten psychisch und physisch zu brechen, um sie in diesem Zustand zur allgemeinen Abschreckung an ihre alten Arbeitsplätze in den Betrieben zurückzuführen.

Bei ihrer Ankunft im AEL wurden den Gefangenen ihre Kleidung, ihr Gepäck und alle persönlichen Sachen abgenommen. Sie mussten sich nackt auf dem Appellplatz in der Mitte der Baracken aufstellen und wurden von einem niedergelassenen Mülheimer Arzt, der als Lagerarzt verpflichtet worden war, in Augenschein genommen. Kapos schoren den Häftlingen die Köpfe und sämtliches Körperhaar. Danach erhielt jeder Gefangene eine Gamelle (Essensnapf), eine Decke und meist graue Arbeitskleidung, ohne dass auf die unterschiedlichen Maße geachtet wurde. Im Winter wurden Holzschuhe ausgegeben, im Sommer mussten viele Häftlinge barfuß arbeiten.

Der Arbeitstag der AEL-Gefangenen begann am frühen Morgen. Nachdem sie unter Schlägen an den Wasserhähnen im Waschraum vorbeigetrieben worden waren und zwei Scheiben dünn mit Marmelade oder Leberwurst bestrichenes Brot und Ersatzkaffee bekommen hatten, musste wieder Appell gestanden werden. Die Wachtmeister zählten die Gefangenen mehrmals und teilten sie in verschiedene Arbeitskommandos von jeweils 30 bis 40 Mann ein. Die meisten Arbeitskommandos waren außerhalb des Lagers auf dem Flughafengelände mit Tiefbauarbeiten und Erdbewegungen beschäftigt. Entwässerungsrohre mussten in den felsigen Boden verlegt, die erweiterte Fläche auf das Niveau des Flugplatzes eingeebnet oder angehoben werden, Böschungen aufgeschüttet, Erde und Gestein in Feldbahnloren verladen werden.

Bei der Arbeit wurden die Häftlinge von den Vorarbeitern deutscher Firmen beaufsichtigt, die die Flughafengesellschaft beauftragt hatte. Auch sie beschimpften die Häftlinge ständig und trieben durch Stockschläge zu schnellerer Arbeit an, während die Wachtmeister in einiger Entfernung auf ihren Posten standen. Mittags gab es für die Gefangenen eine dünne Gemüsesuppe mit Kartoffelschalen und wenigen Karotten und Zwiebeln, die sie entweder an der Arbeitsstelle oder im Lager einnahmen.

Nach nächtlichen Bombenangriffen auf Essen oder Mülheim schickte das Arbeitserziehungslager auf Anforderung der Stadtverwaltungen einige Arbeitskommandos zu Aufräumarbeiten in die Städte. Dort wurden die Häftlinge teilweise von beurlaubten, kriegsverletzten deutschen Soldaten bewacht, die sich menschlicher gegenüber den Gefangenen zeigten und es auch zuließen, dass ihnen die Zivilbevölkerung Brot zusteckte. Sonntags holten häufiger Essener und Mülheimer Bauern AEL-Gefangene zu Feldarbeiten vom Lager ab. Auch bei diesen Arbeitseinsätzen erhielten die Häftlinge meist etwas mehr Essen. Insgesamt war ihre Verpflegung jedoch so unzureichend und minderwertig, dass die Männer während ihrer Haft hungerten und am Ende völlig abgemagert waren.

Wenn die Häftlinge abends todmüde und erschöpft ins Lager zurückkehrten, mussten sie wieder stundenlang Appell stehen und wurden erneut gezählt, bevor sie bestenfalls zwei Scheiben Brot als Abendessen erhielten. Anschließend blieben sie in den stickigen Baracken eingeschlossen, deren kleine Fenster von außen zugeschraubt und mit Stacheldraht versehen waren. Als Schlafstätten dienten ihnen Strohsäcke. Im Winter litten die Gefangenen sehr unter der Kälte, denn der kleine Ofen in den Baracken wurde nicht ausreichend geheizt. Auch die ausgegebene dünne Häftlingskleidung schützte nicht vor widriger Witterung.

Die hygienischen Verhältnisse im AEL waren fürchterlich. Die Männer hatten während ihrer gesamten Haft nie Gelegenheit, sich richtig zu waschen. Es gab nur kaltes Wasser im Lager. Morgens erreichten nur die Kräftigsten die wenigen Wasserhähne, um sich das Gesicht zu befeuchten. Und wenn die Häftlinge Samstag abends durch den Duschraum getrieben wurden, reichte die Zeit nicht, um sich ordentlich zu reinigen. Es wurde nur wenig Sandseife ausgegeben und ein Rasierblättchen ohne Halter an mehrere Männer. Handtücher gab es ebenso wenig wie Toilettenpapier. Für die Bedürfnisse der Gefangenen war ein Holzbalken außerhalb der Baracken vorgesehen. Nachts musste in der Baracke in eine Kübeltonne uriniert werden.

Angesichts dieser Verhältnisse und der ständig wechselnden Häftlinge im Lager blieb es nicht lange aus, dass die Baracken vollkommen verlaust waren. Im Oktober 1943 brach das von Kleiderläusen übertragene Fleckfieber im Flughafenlager aus, an dem bis Ende November 36 Häftlinge starben. Es musste bis Januar 1944 eine Quarantäne über das Lager verhängt werden. Trotz der Kritik des Mülheimer Amtsarztes an den verschmutzten Häftlingsquartieren, änderte sich im AEL nichts. Nur die Entlausungsmaßnahmen wurden verschärft. Von Anfang 1942 bis zur Auflösung und Zerstörung des AEL im März 1945 starben insgesamt mindestens 130 Menschen infolge der unmenschlichen Haftbedingungen. Fast die Hälfte der Toten waren Niederländer. Auch bei dem verheerenden Luftangriff auf den Flughafen am Heiligen Abend 1944 blieb das AEL nicht verschont. Der Hochbunker der Flughafensiedlung, den die Häftlinge nicht benutzen durften, erhielt einen Volltreffer. Das Lager wurde teilweise zerstört, vier Gefangene kamen durch die Bomben ums Leben.

Es lässt sich heute nicht mehr nachprüfen, wie viele Menschen auf dem Flughafen tatsächlich zu Tode geprügelt wurden. Prügel mit Knüppeln, Peitschen oder stacheligen Zweigen war jedenfalls neben dem "Lagersport" eine übliche Strafe für die völlig entkräfteten, hungernden Männer. Auch Essensentzug für das gesamte Lager gehörte dazu. Bestraft wurden schon die kleinsten Verstöße gegen die Lagerordnung. Jegliche Widersetzlichkeit oder eine als zu gering befundene Arbeitsleistung auf dem Flugplatz konnte dazu führen, dass das ganze Lager kein Abendessen bekam. Darüber hinaus war es den Häftlingen verboten, miteinander zu reden, wogegen natürlich häufig verstoßen wurde. Es war ebenfalls verboten zu rauchen. Einige Häftlinge, die starke Raucher waren, versuchten trotzdem immer wieder, die weggeworfenen Zigarettenkippen der Wachleute aufzuheben.

Die Verhältnisse in den AEL sorgten sogar in damaligen Behörden des Dritten Reiches für Kritik, die der Chef des Reichssicherheitshauptamtes SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner im Mai 1944 mit folgenden Worten zurückwies: "Die Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse für die Insassen (der Arbeitserziehungslager, d. Verf.) sind im allgemeinen härter als in einem Konzentrationslager. Dies ist notwendig, um den gewünschten Zweck zu erreichen und möglich, da die Unterbringung der einzelnen Schutzhäftlinge im allgemeinen nur einige Wochen, höchstens wenige Monate, dauert."

Für etliche Gefangene war die Haft im AEL Flughafen ohnehin nur eine Durchgangsstation ihrer Verschleppung in ein Konzentrationslager der SS. Im Januar 1943 überstellte das Lager auf Anforderung des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes allein 120 seiner Häftlinge ins KZ Buchenwald.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Düsseldorfer Gestapo das AEL auf den Flughafen auch als Hinrichtungsstätte nutzte. Zumindest die "Sonderbehandlungen" von zwei Polen sind für August 1943 und Februar 1944 belegt. Als "Sonderbehandlung" bezeichnete die Gestapo ihre Exekutionen, die sie ohne Gerichtsurteil verhängte und vollstreckte.

Vorsichtig geschätzt müssen zwischen 6.000 und 8.000 Häftlinge das Essen/Mülheimer AEL durchlaufen haben. Viele ehemalige Gefangene leiden noch heute unter den psychischen Folgen ihrer Haft auf dem Flughafen. Sie werden in den Nächten immer wieder von Alpträumen und Angstzuständen gequält. Nach dem Krieg hatten sie kaum Gelegenheit, ihre Erlebnisse im nationalsozialistischen Deutschland durch Gespräche zu bewältigen. Auch im benachbarten Ausland interessierte man sich nicht für das Schicksal derjenigen, die während des Krieges in Deutschland gearbeitet hatten. Für sie gab es keine Entschädigungen, und sie hatten auch nicht die Genugtuung, ihre Peiniger vor Gericht stehen zu sehen.

Keiner der Angehörigen der Wachmannschaften des Essen/Mülheimer Flughafenpersonals oder der beteiligten Firmen wurde je für begangene Misshandlungen zur Rechenschaft gezogen. Vertreter der Flughafengesellschaft konnten in einem spruchgerichtlichen Verfahren gegen den Lagerkommandanten sogar als Entlastungszeugen auftreten. Die AEL-Haft beschrieben sie dabei als "Erholungsaufenthalt" für die Gefangenen.

(Text: Gabriele Lotfi, abgedruckt im Mülheimer Jahrbuch 1997, S. 151 ff.)


Anmerkung: Im November 1996 kam es auf Initiative von Prof. Dr. Karl Lickfeld zur Stiftung und Errichtung einer Gedenktafel, die dauerhaft an das Arbeitslager und das Leid seiner Häftlinge erinnern soll.


Literatur zum Thema: 
Gabriele Lotfi: KZ der Gestapo - Arbeitserziehungslager im Dritten Reich
Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart/München 2000.