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14. Juli 1923

Erstes Inflationsgeld der Stadt Mülheim an der Ruhr

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg erlebte Deutschland eine der stärksten Geldentwertungen, die eine Industrienation in der Neuzeit jemals erfuhr und die schließlich in der so genannten Hyperinflation des Jahres 1923 gipfelte. Schon der Erste Weltkrieg hatte einen deutlichen Verlust der Kaufkraft der deutschen Währung mit sich gebracht. So führte insbesondere die unsolide Finanzierung der gewaltigen Kriegskosten – im Wesentlichen hoffte man auf einen Siegfrieden und daraus resultierende Reparationsleistungen – dazu, dass die Mark 1918 nicht einmal mehr die Hälfte ihrer Kaufkraft von 1914 besaß. Diese kriegsbedingte Geldentwertung wurde in den Anfangsjahren der Weimarer Republik vor allem durch einen bedenken- und hemmungslosen Umgang mit der Notenpresse dramatisch verstärkt. Reparationsforderungen aus dem Versailler Vertrag wurden zum Anlass genommen, Papiergeld in immer größeren Mengen zu drucken und in Umlauf zu bringen, so dass sich die Inflation immer weiter beschleunigte. Als Reichskanzler Cuno schließlich versuchte, während der Ruhrbesetzung im Jahr 1923 die Streiks und den Widerstand gegen die französischen Besatzungstruppen durch zusätzlich gedrucktes Geld zu unterstützen, trieb dies die Inflationsspirale derart an, dass die deutsche Wirtschaft kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch stand. Die Geldentwertung galoppierte nun in einem nie dagewesenen Tempo davon. Morgens gezahlte Löhne reichten abends nicht mehr zum Kauf eines Brotes, so dass die massenweise Verelendung der Bevölkerung kaum mehr aufzuhalten schien. So kostete im Sommer 1923 ein Brot bereits 5.000 Mark und ein Pfund Butter gar 150.000 Mark. 

Wieder reagierte die Reichsbank mit einem noch größeren Ausstoß von Papiergeld, kam jedoch binnen kürzester Zeit mit der Ausgabe von Geldscheinen den explodierenden Preisen nicht mehr hinterher. Unter diesen Umständen ermächtigte sie die Stadt Mülheim an der Ruhr ebenso wie andere Städte, selbst Geld zu drucken und in Umlauf zu bringen. Am 11. Juli 1923 beschlossen die Mülheimer Stadtverordneten, 60 Milliarden Mark in Scheinen von 100.000 Mark herauszugeben. Der Druck – der übrigens von der Reichsbank bezahlt wurde – war bereits einen Tag vorher zwischen der Reichsbank und der Druckerei Julius Bagel vereinbart worden. Drei Tage später, am 14. Juli 1923, wurde dieses erste Inflationsgeld der Stadt Mülheim an der Ruhr gezeichnet und in Umlauf gebracht.

Doch dieses Geld hielt weder die Inflation auf, noch verhalf es der Not leidenden Bevölkerung zu ausreichenden Mitteln, wenigstens das tägliche Brot zu sichern. Noch bis zum November 1923 wurde in Mülheim immer neues Inflationsgeld mit immer höheren Nennwerten gedruckt, dem jedoch kaum Werte bei bizarr anmutenden Preisen gegenüberstanden - ein US-Dollar entsprach zu dieser Zeit 4,2 Billionen Mark während ein Brot 260 Milliarden Mark kostete. Erst als mit der Einführung der Rentenmark im November 1923 der Mark 12 (!) Nullen gestrichen wurden, endete die Hyperinflation. Jene Zeit erscheint heute angesichts der astronomischen Geldscheine verrückt; diejenigen, die den rasanten Wertverlust und das Elend der Verarmung erlebten, haben den Schrecken dieser Zeit oft ihr Leben lang nicht vergessen.

(Ra)