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Hedwig und Selma Heimann

Die Zwillingsschwestern Hedwig und Selma Heimann wurden am 1. März 1877 geboren, als älteste von 10 Kindern, von denen allerdings nur sechs das Säuglingsalter überlebten. Ihre Eltern waren David Heimann und seine Frau Henriette, geborene Steinwasser. Heimann und Steinwasser sind in Mülheimer Adressbüchern zwischen 1883 und 1912 als Metall- und Altwarenhändler in der Innenstadt und in Eppinghofen vermerkt. Es ist daher anzunehmen, dass David und Henriette aus diesen jüdischen Familien stammten, denn David ist ebenfalls im Adressbuch der Stadt Mülheim von 1904 als Altwarenhändler eingetragen. Die Familie Heimann zog mehrfach im Nahbereich der Mülheimer Innenstadt um (unter anderem Bahnstraße 18, Falkstraße 11, Althofstraße 46). Im Oktober 1911 zog sie dann zum Froschenteich 18, der 1916 in Hindenburgstraße 78 umbenannt wurde (heute Friedrich-Ebert-Straße). 1915 starb der Vater David, der in den letzten Jahren vor seinem Tod bereits als Invalide in den Adressbüchern geführt wird, und Mutter Henriette verdiente als Köchin ihr Geld.

Selma, die zeitweise woanders gelebt hatte, zog im November 1919 ebenfalls zu ihrer Mutter und ihren Geschwistern in die Hindenburgstraße. Abraham, Martha und Paul heirateten und zogen weg. Die drei Schwestern Hedwig, Selma und Frieda blieben - auch nach dem Tod ihrer Mutter im September 1932. Von ihrem Leben ist leider nur sehr wenig bekannt. Einen anerkannten Berufsabschluss haben Hedwig und Selma offensichtlich nicht erworben. Auf Friedas Einwohnermeldekarte ist als Beruf „Prokuristin“ eingetragen, im Adressbuch von 1912 ist sie als „Kontoristin“ geführt und auf den Deportationslisten als „Sekretärin“. Die Schwestern heirateten alle nicht und bestritten ihr Leben offensichtlich gemeinsam. Die Zwillinge waren als Fürsorgerinnen der Mülheimer jüdischen Gemeinde tätig und dadurch in diesem Kreis bekannt und beliebt.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme machten die schnell zunehmenden Einschränkungen das Leben für Jüdinnen wie die Schwestern Heimann immer schwieriger. Am 30. April 1939 trat das „Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“ in Kraft. Es schränkte den Mieterschutz für Juden ein und erlaubte den Gemeindebehörden, Juden Wohnungen zuzuweisen, meistens in Immobilien, die sich noch in jüdischem Besitz befanden. Diese wurden dann oft „Judenhäuser“ genannt. In einer Nacht- und Nebelaktion wurden Hedwig, Selma und ihre Schwester Frieda am 27. Februar 1940 aus ihrer Wohnung in der Hindenburgstraße geholt und getrennt in diese sogenannten Judenhäuser gebracht - die Zwillingsschwestern in das ehemalige Haus der Heilsarmee in Mülheim, Köhle 16, und Frieda in die Bahnstraße 44. Sie durften nur das zum Leben Notwendigste mitnehmen. Am 23. Juni 1942 wurden die Zwillingsschwestern in ein anderes Judenhaus eingewiesen, das Haus Scharpenberg 42. Frieda musste bereits am 2. Juni in das Judenhaus Delle 29 umziehen.

Im Juli 1942 erhielten die drei Schwestern dann die Aufforderung zur Übersiedelung ins Ghetto Theresienstadt in Tschechien. In der Propaganda wurde dieses Ghetto als mustergültiges „Altersghetto“ dargestellt und den mittlerweile fast 65-jährigen Zwillingsschwestern kann der Umzug durchaus sinnvoll erschienen sein. Frieda war allerdings erst 52 Jahre alt. Am 21. Juli 1942 wurden die drei mit dem Transport VII/1, einem sogenannten „Alterstransport“, von Düsseldorf nach Theresienstadt gebracht.

Dort verblieben Hedwig und Selma aber nicht lange, denn es war das erklärte Ziel des Regimes, sich vorrangig der alten und nicht mehr arbeitsfähigen Juden zu entledigen. Schon im September erhielten sie den Verlegungsbefehl in ein weiter im Osten gelegenes Ghetto. Der ihnen zugewiesene Transport Bp am 21. September 1942 brachte die beiden und mehr als 2.000 andere ältere Juden aber nicht in ein anderes Ghetto, sondern direkt zum neu errichteten Vernichtungslager Treblinka, wo die Ankommenden direkt vom Bahnhof in die Gaskammern geführt wurden. Aus den Deportationsdokumenten ist ersichtlich, daß die Zwillingsschwestern ihre letzten Wege, so wie ihr ganzes Leben, gemeinsam gegangen sind.

Da Frieda deutlich jünger war als ihre beiden Schwestern, musste sie mehr als zwei Jahre Zwangsarbeit im Ghetto Theresienstadt leisten. In der großen Aktion zur Leerung des Ghettos ab Ende September 1944 wurde sie am 9. Oktober 1944 mit dem Transport Ep ins Vernichtungslager Auschwitz verbracht, wo die allermeisten Deportierten direkt in den Gaskammern ermordet wurden.

 

Verlegeort Friedrich-Ebert-Straße 78

Verlegedatum 11. Oktober 2007

Verfasst von C. Miller