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Antonie Kox

Antonies Eltern

Antonie ("Toni") Kox erblickt am 20. August 1891 als Tochter des jüdischen Ehepaars Salomon, geboren am 1. Juni 1862 in Westherbede, Kreis Bochum und Johanna Rosenbaum, geborene Kaufmann, geboren in Mülheim an der Ruhr am 8. März 1857, das Licht der Welt. Die beiden betreiben in der Josefstraße 37 eine Kohlenhandlung sowie einen Getränkeabfüllbetrieb mit Flaschenbierhandlung, die auf Johanna eingetragen sind. Wann Salomon genau verstorben ist, ist nicht bekannt. Er wird am 22. Oktober 1912 das letzte Mal lebend gesehen. Deshalb beurkundet das Standesamt am 19. Januar 1913 seinen Tod nach Mitteilung der Kriminalpolizei auf diesen Tag. 

Johanna führt das Geschäft und dazu einen Altpapierhandel bis Mitte der zwanziger Jahre weiter. Sie stirbt am 7. Mai 1937 und wird auf dem jüdischen Friedhof in Mülheim bestattet, mit einem Grabstein für sie und ihren verschollenen Mann. Das Altpapier-Geschäft scheint Luise, die Frau ihres Sohnes Otto, nach ihrem Tod 1937 weitergeführt zu haben. Nach der Gewerbesteuerkarte aber nur für kurze Zeit, bevor 1938 die "Anmeldebesch. eingezogen" wird, so der handschriftliche Vermerk. 

 

Antonies Geschwister

Die älteste Schwester Rosa wurde 1887 geboren. Sie war verheiratet mit Wilhelm Jakob Dörflinger und lebte bis zu ihrer Deportation nach Theresienstadt in Oberwinter am Rhein. Das Ehepaar Dörflinger ist später wieder nach Mülheim zurückgekehrt und hat auf der Heißener Straße 39a gewohnt. Rosa starb hier 1973.

Gustav, der älteste Bruder, geboren 1889, diente als Soldat beim 12. Infanterie-Regiment 171 im Ersten Weltkrieg und fiel bereits in den ersten Kriegswochen. Er wurde am 28. September 1914 gerichtlich für tot erklärt. Sein Name ist auf der Gedenktafel für die Mülheimer jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs verewigt, die heute in der Synagoge in Duisburg hängt.

1890 kam ihre Schwester Jeannette zur Welt. Sie heiratete den Friseurmeister Reinicke aus Dinslaken und starb dort 1970.

Ihr folgte 1892 Bruder Arthur. Er war Soldat im Ersten Weltkrieg und arbeitete zuerst in der elterlichen Kohlenhandlung, später als Bäcker und war Funktionär der KPD. Er wurde 1942 ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Seine Ehefrau Mathilde, geborene Lindemann, überlebte den Holocaust, heiratete später Heinrich Steinberg und wanderte 1946 nach Casablanca in Marokko aus. Eine Enkelin, Monique Charlesworth, lebt in England und beschreibt in ihrem Buch „Mother Country“ die Geschichte der Familie.

Bruder Otto wird 1894 geboren. Er tritt beruflich in die Fußstapfen seines Vaters. Als jüdisches Mitglied der KPD wird er von der Gestapo verfolgt und verhaftet. Er stirbt 1942 im Konzentrationslager Groß-Rosen. Auch seine Tochter und sein Schwiegersohn werden verfolgt und ermordet.

1895 wurde Antonies Schwester Amalie geboren. Sie heiratete 1920 den aus Styrum stammenden Emil Land und starb 1978 in Mülheim.

Ihr jüngster Bruder, Hermann, starb 1901, als er ein Jahr alt war, und wurde auf dem Mülheimer jüdischen Friedhof beigesetzt.

Antonies jüngste Schwester war Gerta Alwine und wurde 1903 geboren. Sie heiratete hier 1927 den Schneidermeister Wolf Hersz Zylberminc und emigrierte mit ihm 1934 nach New York.

 

Antonies Familie

Antonie heiratet am 18. März 1916 den katholischen Ernst Kox. Er ist Verlader von Beruf. Ihre beiden Zwillingstöchter Ruth und Alice werden am 22. Oktober 1916 geboren. Die Ehe wird 1935 geschieden. 1930 zieht Antonie Kox mit ihren Töchtern von der Bachstraße 21 in den Kohlenkamp 34. Ruth und Alice beenden 1931 ihre Schulausbildung.

Alice macht 1932 bei der Fa. Leo Tietz A.G. eine kaufmännische Lehre, die sie 1934 wegen „Arisierung“ der Firma abbrechen muss. Sie findet danach keine Beschäftigung mehr und wandert 1936 nach New York aus. 

Ruth arbeitet nach der Schule im Textilkaufhaus von Gustav Blum bis 1938. Am 10. November 1938 - dem Tag nach der Reichspogromnacht - dringen mehrere SA-Leute in ihre Wohnung ein und zerschlagen Mobiliar, Porzellan, Kristall und andere Haushaltsgegenstände. Sie zerschneiden Betten, Kissen und Decken. 

Im November 1939 wird durch eine Polizeiverordnung die Möglichkeit geschaffen, Juden an bestimmten Orten zu konzentrieren, die Vorbereitung für ihre Deportation. In Mülheim werden daraufhin viele jüdische Mitbürger in sogenannten „Judenhäusern“ zwangsweise einquartiert. So auch Antonie, die mit ihrer Tochter Ruth in die Löhstraße 53 umziehen muss. Das Haus, ehemals im Besitz von Moritz Heymann, gehört zu diesem Zeitpunkt der Jüdischen Gemeinde. Nach der Zerstörung der Synagoge im November 1938 werden hier Gottesdienste, der Religionsunterricht und verschiedene andere Gemeindeaktivitäten abgehalten. Ruth muss in dieser Zeit Zwangsarbeit bei der Fa. Felten und Guilleaume leisten.

Als Jüdin im Sinne der Nürnberger Gesetze werden Antonie Kox und ihre Tochter Ruth am 10. Dezember 1941 von der Gestapo festgenommen und zusammen mit 25 weiteren Mülheimern jüdischen Glaubens zum Güterbahnhof Düsseldorf-Derendorf gebracht. In der vor dem Bahnhof gelegenen Schlachthofhalle müssen sie sogenannte Einziehungsverfügungen unterschreiben, die Grundlage für die spätere Beschlagnahme ihres Wohnungsinventars. So wird auch Antonie Kox’ Wohnungseinrichtung von der Gestapo beschlagnahmt. Das Finanzamt übernimmt in Mülheim die Veräußerung der Gegenstände. 

Insgesamt umfasst der Deportationstransport nach Riga 1.007 jüdische Menschen, hauptsächlich vom Niederrhein. Antonie und Ruth sind auf dieser Liste zu finden. Ruths Beruf wird darin als „Spinnerin“ angegeben. 
Es gibt eine ausführliche Dokumentation über den Transport nach Riga, verfasst von dem begleitenden Polizeioffizier Hauptmann Salitter. Nüchtern akribisch und ohne Mitgefühl beschreibt dieser in Zahlen, Daten und Fakten die Behandlung der Deportierten und den Verlauf der Fahrt. Der Transport erreicht Riga am 13. Dezember 1941 um 23:35 Uhr und bleibt bis zum nächsten Morgen bei minus 12 Grad auf den Gleisen stehen. Antonie und Ruth Kox sowie die anderen Leidensgenoss:innen werden nach Salaspils, ein 18 km südöstlich von Riga errichtetes Konzentrationslager gebracht. Es wird auch als Lager Kurtenhof nach einem Gutshof nördlich von Salaspils geführt und ist Teil des deutschen Konzentrationslager-Komplexes, in dem die Gefangenen unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit zu verrichten haben. Obwohl formal gesehen nicht der Inspektion der Konzentrationslager unterstehend, findet sich häufig auch die Bezeichnung KZ Salaspils. Ende September 1944 wird das Lager aufgelöst; die Häftlinge werden mit Schiffen in das Konzentrationslager Stutthof bei Danzig (Polen) verbracht. Von dort werden die Häftlinge im Januar 1945 beim Anrücken der sowjetischen Truppen weiter in Richtung Westen getrieben, viele von ihnen bereits so von der Zwangsarbeit und den Verhältnissen in den Konzentrationslagern geschwächt, dass täglich 30 bis 40 vor Hunger und Kälte sterben. So beschreibt es Ruth in ihrem Fragebogen zum Wiedergutmachungsantrag.

Während Ruth Kox das Lager überlebt, stirbt ihre Mutter im Beisein der Tochter am 15. März 1945 - fünf Tage nach der Befreiung des Lagers Stutthof durch sowjetische Truppen.

Ruth Kox heiratet am 2. März 1946 den aus Litauen stammenden jüdischen Bäckermeister Jakob Moskowitz. Sie haben zwei in Berlin geborene Töchter (Zwillinge). Ihren Ehemann hat Ruth während ihrer Leidenszeit im Ghetto Riga kennengelernt. Jakob war in mehreren Konzentrationslagern inhaftiert. 1947 wird er von den Russen als „Vaterlandsverräter“ zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt, weil er nicht nach Russland zurückkehren will. Ruth kehrt daraufhin 1949 kurz nach Mülheim zurück, beantragt hier Wiedergutmachung und wandert im selben Jahr mit ihren Töchtern nach New York aus. Über ihr weiteres Leben und das ihrer Töchter ist nichts bekannt.

Alice heiratet nach ihrer Ausreise in die USA und trägt seitdem den Namen Loewenthal. Sie stirbt am 1. August 2007 in Hollywood, Broward, Florida, USA.

 

Verlegeort Kohlenkamp 34

Verlegedatum 22. März 2013

Verfasst von H.W. Nierhaus und überarbeitet von A. Fercho