Der am 16. Juli 1903 geborene Richard Meyer war der dritte Sohn des selbständigen Metzgermeisters Levi Meyer und seiner Ehefrau Selma, geborene Simson. Seine beiden älteren Brüder waren Martin und Hugo Meyer. Zum Zeitpunkt seiner Geburt besaßen seine Eltern das Haus Kohlenkamp 1, wo die Familie wohnte und wo sich auch die väterliche Metzgerei befand. 1912 verkaufte sein Vater die Immobilie am Kohlenkamp und verlegte die Metzgerei in gemietete Räume in der Wertgasse 3, wo die Familie seitdem auch wohnte. Durch Verlängerung und Umnummerierung der Wertgasse wurde aus Hausnummer 3 später Nummer 33.
Nachdem 1925 Richards Vater im Alter von 66 Jahren verstorben war, übernahm seine Mutter Selma das Geschäft. Als sie dann 1928 ebenfalls starb (beide sind auf dem jüdischen Friedhof in Mülheim begraben), ging das Geschäft auf Sohn Richard über. Die Eintragung erfolgte aber erst mit Wirkung zum 12. Dezember 1930. Warum Richard das Geschäft am 27. September 1933 an seinen älteren Bruder Hugo übergab und selbst weiter darin arbeitete, lässt sich nicht mehr klären. Hugo, selbst Metzgermeister, hatte bis dahin eine eigene Metzgerei in Duisburg-Hamborn betrieben. Es muss dann etwas vorgefallen sein, das die Brüder veranlasste, die Metzgerei in der Wertgasse aufzugeben, denn seit dem 24. Mai 1935 wird sie als „ruhend“ vermerkt, aber noch bis August 1936 waren Richard und sein Bruder Hugo mit Familie als wohnhaft in der Wertgasse 33 geführt. Hugo zog dann in die Georgstraße 30, während Richard mehrere, schnell wechselnde Wohnsitze in Mülheim hatte: ab Oktober 1936 Auerstraße 9, ab April 1937 Bahnstraße 13, ab August 1937 Hindenburgstraße 32, ab April 1939 Adolf-Hitler-Straße 14 und zuletzt für kurze Zeit (ab Juli 1939) bei seinem Bruder in der Georgstraße 30.
Am 16. März 1939 heiratete Richard die am 22. Februar 1905 in Köln geborene Lehrerin Erna Nolden. Die Ehe blieb kinderlos. Der am 20. September 1939 vollzogene Wohnsitzwechsel des Paars zur Leineweberstraße 4 (heute Nr. 47) war der letzte Umzug, der auf der Meldekarte vermerkt ist. Diese Angabe findet sich auch im Adressbuch 1940. Das Haus Leineweberstraße 4 war zwar kein offizielles „Judenhaus“ - es gehörte bis zu dessen Auswanderung in die USA 1938 dem jüdischen Krawattenhändler Moritz Löwengrund - und wurde nach und nach mit wohnungslosen Juden belegt.
Da Richard Meyer nach dem Verlust der Metzgerei wahrscheinlich über kein ausreichendes Einkommen mehr verfügte, wurde er, wie viele andere aus dem Beruf verdrängte Juden, zu Hilfsarbeiten herangezogen. Auf dem Foto (siehe Galerie) sind jüdische Männer zu sehen, die im Sommer 1941 zu Kanalisationsarbeiten im Broich-Speldorfer Wald gezwungen wurden. Richard Meyer steht vorn mittig mit Unterhemd und Schaufel.
Die Meldekarte enthält mit Datum vom 24. April 1942 den Eintrag „n. unbekannt Abwanderung“. Dahinter verbirgt sich die am 22. April 1942 erfolgte Deportation vom Bahnhof Düsseldorf-Derendorf in das Ghetto Izbica in Ostpolen. Wie auch für seinen Bruder Hugo und dessen Familie begann für Richard und Erna die Deportation mit einem Schreiben, das ihnen Mitte April 1942 zugestellt wurde. Es gab ihnen auf, sich am 20. (oder frühmorgens am 21.) April im Barackenlager Holbeckshof in Essen Steele – oder alternativ im Betsaal des Essener Gemeindehauses Hindenburgstraße einzufinden. Vom Hauptbahnhof Essen wurden sie am 21. April 1942 mit dem Sonderzug „Da 152“, der aus fünf bis sieben Personen- und zwei Güterwagen bestand, mit 353 Juden aus Essen und Umgebung nach Düsseldorf-Derendorf überführt. Dort, im Sammellager am Schlachthof, wurde über Nacht die Gesamtgruppe aus dem Bereich der Staatspolizeidienststelle Düsseldorf zusammengestellt. Der Transport mit 387 Männern und 664 Frauen, in insgesamt 20 Wagen, verließ den Bahnhof Derendorf am 22. April 1942, um 11.06 Uhr, mit dem Sonderzug „Da 25“.
Zielort des Transportes war ursprünglich Trawniki. Kurz vor Abfahrt wurde er auf Izbica geändert. In dem dortigen, völlig überfüllten Ghetto verblieben die Deportierten bis etwa Oktober 1942. Postkarten aus dieser Region erreichten innerhalb dieses Zeitraumes (von April bis Oktober 1942) Familienangehörige im Rheinland und im Ruhrgebiet.
Im Oktober 1942 wurden die Verschleppten zu einem Vernichtungslager, vermutlich Sobibor, transportiert.
Durch Beschluss des Amtsgerichtes Mülheim an der Ruhr vom 16. November1949 (6 II 214/49) wurden Richard und Erna Meyer zum 8. Mai 1945 für tot erklärt.
Verlegeort Leineweberstraße 47 [früher Nr. 4]
Verlegedatum 4. Mai 2022
Verfasst von W. von Gehlen, ergänzt durch C. Miller