Errichtung einer Telegraphenstation
So wie heute die Digitalisierung hat auch im 19. Jahrhundert die technologische Entwicklung die Lebenswelt der Menschen fundamental verändert. Beispielsweise revolutionierten die Erfindung der Eisenbahn und der Telegraphie auf bis dahin nicht vorstellbare Weise den Transport von Gütern und Personen sowie die Übermittlung von Informationen und Nachrichten. Häufig ging der Ausbau gerade dieser beiden Technologien sogar Hand in Hand. Und so war es auch in Mülheim. Mit dem Anschluss an das Eisenbahnnetz wurde auch der Anschluss an die Anfang der 1860er Jahre geplante Telegraphenlinie zwischen Düsseldorf und Duisburg möglich. Im Oktober 1862 hatte sich der damalige Bürgermeister Karl Obertüschen mit dem zuständigen Kommissar der königlich-preußischen Telegraphendirektion auf den Verlauf der projektierten Telegraphenleitung verständigt, die von der Bergisch-Märkischen Eisenbahn abzweigend bis zur damaligen Post am Froschenteich – heute Friedrich-Ebert-Straße – geführt werden sollte. Im Juni 1863 wurde schließlich mit dem Bau der Telegraphenlinie Düsseldorf – Duisburg begonnen, die bald darauf auch das Mülheimer Postamt erreichte.
Allerdings stieß die Verlegung des Telegraphendrahtes innerhalb des Postamtes auf ein unerwartetes Hindernis. Das Telegraphenbüro sollte in dem noch aus Zeiten des Postkutschenverkehrs herrührenden „Passagierzimmer“ eingerichtet werden, in dem Reisende auf die Abfahrt der Postkutsche warten konnten. Dieses Zimmer sollte nun im Hintergebäude untergebracht werden. Gegen diese Nutzung des Hintergebäudes, das der staatlichen Finanzverwaltung gehörte, protestierte jedoch der Provinzial-Steuerdirektor, der durch diesen Protest die zügige Inbetriebnahme der Telegraphenstation massiv behinderte. In der zeitgenössischen Presse hieß es dazu am 1. August 1863: „Mit der königlichen Telegraphenstation werden wir doch wohl erst zu Neujahr beschenkt werden, obwohl deren baldige Einrichtung uns schon oftmals in Aussicht, und die Telegraphenstangen uns auch bereits seit einiger Zeit zur Ansicht, aber auch nur zur Ansicht gestellt sind.“ Verständnis für die durch die Finanzverwaltung bereiteten Schwierigkeiten, die dem zügigen Abschluss dieses Infrastrukturprojekts ohne Not im Wege standen, gab es nicht.
Doch schließlich konnten sich die beteiligten Stellen einigen, so dass am 15. September 1863 die Mülheimer Telegraphenstation ihren Betrieb zunächst „mit beschränktem Tagesdienst“ aufnehmen konnte. Die Möglichkeit, nun auch von Mülheim aus Telegramme zu senden und solche hier zu erhalten, wurde gerne genutzt. Die Zahl der ein- und abgehenden Telegramme stieg stetig an, so dass ab dem 15. August 1864 ein vollständiger Tagesdienst eingerichtet werden konnte. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Telegraphennetz auch innerhalb Mülheims stetig ausgebaut. Nach und nach erhielten so auch einzelne Stadtteile ihre eigenen Telegraphenstationen: Saarn am 1. Oktober 1876, Speldorf am 16. September 1878, Styrum am 1. Oktober 1886 und Broich am 1. August 1898.
(Ra)