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21. März 1919

Erste Ratssitzung mit weiblichen Stadtverordneten

„Lebendig der Eindruck des Saales, der so voll besetzt war, wie man es noch nicht gesehen hatte […]. Groß der Wille zur Arbeit. Die öffentliche Sitzung dauerte fünf Stunden […]. Ein Zug freundlicher Allmenschlichkeit in dem Bilde […] durch die Anwesenheit der drei Frauen, von denen eine, Fräulein Lehrerin Büssemeier, als erste Frau im Mülheimer Stadtparlament an diesem Tage sprach.“ So berichtete die Mülheimer Zeitung am 22. März 1919, dem Tag nach der ersten Sitzung der am 2. März 1919 neu gewählten Stadtverordnetenversammlung. 

Erstmals in der Mülheimer Geschichte waren bei dieser Wahl drei Frauen in das höchste politische Gremium der Stadt gewählt worden: die Lehrerin Maria Büssemeier (Zentrumspartei) sowie die Hausfrauen Katharina Havermann (ebenfalls Zentrumspartei) und Luise Blumberg (Deutsche Volkspartei). Angesichts der Gesamtzahl von 72 Stadtverordneten waren ihr zahlenmäßiger Anteil und ihr politischer Einfluss jedoch gering. So wurde auch ihre Anwesenheit lediglich durch die Eröffnungsrede des Oberbürgermeisters Dr. Paul Lembke thematisiert. „Meine Damen und Herren! So begrüße ich heute die neue Stadtverordnetenversammlung. Neu wie die Versammlung ist auch die Art des Grußes. Zum ersten Male habe ich die Ehre, neben den Herren auch Damen in unserer Mitte willkommen zu heißen. Ich freue mich dessen und hoffe, dass sie uns eine wertvolle Hilfe bei mancher Art der Arbeit, die wir hier zu leisten haben, sein werden.“ Weitaus größeres Gewicht legt Lembke auf die Feststellung, dass dem neuen „Stadtparlament“ nur noch 13 „altgediente“ Stadtverordnete angehörten, während 59 neue Volksvertreter und –vertreterinnen erstmals in dieses Gremium gewählt worden seien. Insgesamt sieben verschiedene Parteien und Gruppen gehörten diesem Rat der Stadt an, so dass sich der Oberbürgermeister auch angesichts dieser Vielfalt der Interessensvertretungen einer für ihn wie für die Stadt neuen Situation gegenüber sah. Obwohl er sein generelles Unbehagen angesichts einer von parteipolitischen Standpunkten geprägten neuen politischen Kultur nicht gänzlich verhehlen konnte, drückte er die Hoffnung aus, „dass unter den zu erwartenden parteipolitischen Auseinandersetzungen die Sache selbst niemals leiden möge.“ Er erinnerte eindringlich daran, „dass ein jeder als Vertreter der Gesamtstadt hier an dieser Stelle steht und dass das Gesamtwohl der Mitbürger die oberste Richtschnur sein muss“. 

Auf die weiblichen Stadtverordneten warteten außer warmen Begrüßungsworten zunächst keine überraschenden Aufgaben. Zwar verdiente sich Maria Büssemeier mit einer Wortmeldung zur Volksschule einen Platz in der Geschichte des Rates der Stadt als erste Frau, die dort einen Redebeitrag hielt, allerdings blieb dieser zunächst folgenlos. Die zentralen Ausschüsse wurden ausschließlich mit männlichen Stadtverordneten besetzt, während man alle drei Frauen ganz dem traditionellen Rollenbild entsprechend in den Wohlfahrtsausschuss wählte.

(Ra)