Aufstellung des „Bogenschützen“ von Hermann Lickfeld auf dem Goetheplatz
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließ der Mülheimer Reeder und Geschäftsmann Johann Winschermann das so genannte „Dichterviertel“ planen und machte schließlich den im Herzen dieses Quartiers gelegenen „Goetheplatz“ der Stadt zum Geschenk. Die Platzgestaltung mit Trauerweiden, einem Teich und einer künstlichen Grotte verlor jedoch offenbar im Laufe der Zeit trotz regelmäßiger Pflege ihren Charme. Schließlich zeichnete sich ab Mitte der 1930er Jahre der – nicht von allen Anwohnern geteilte – Wunsch ab, den verschlammten Teich und die Grotte zu beseitigen, die wuchernden Bäume zu fällen und dem Platz insgesamt ein neues, zeitgemäßes Erscheinungsbild zu geben. Um die grüne Oase inmitten der Wohnbebauung zu erhalten, sollte der Platz erneut eine gartenarchitektonische Gestaltung erfahren. Neben einer angemessenen Bepflanzung unter anderem mit von Goethe besonders geschätzten Ginkgo-Bäumen sah die Planung auch die Aufstellung von Parkbänken und einem zentralen Kunstwerk vor. So erhielt schließlich der in Mülheim lebende Bildhauer Hermann Lickfeld den Auftrag, für den Goetheplatz eine Skulptur zu schaffen.
Laut Urteil der zeitgenössischen Kunstkritik löste Lickfeld mit seiner Skulptur eines jugendlichen Bogenschützen die gestellte Aufgabe erfolgreich, die Figur in einen inneren Zusammenhang mit der Platzgestaltung zu bringen und diese in Bezug zu sämtlichen in den Platz einmündenden Straßen zu setzen. Der innere Bezug des Werkes zu Goethe als dem Namensgeber des Platzes ist allerdings nicht gerade offensichtlich. Angeblich bezieht sich die Gestaltung der Skulptur auf ein Zitat Eckermanns, der 1825 den alternden Goethe mit Pfeil und Bogen im Garten beobachtete und diese Szene wie folgt beschrieb: „Er stand da wie der Apoll, mit unverwüstlicher innerer Jugend aber alterndem Körper.“
Aufgestellt wurde der Bogenschütze am 3. Juni 1938 im Rahmen einer offiziellen Feier, bei der der neu gestaltete Goetheplatz der Öffentlichkeit übergeben wurde. Leider blieb der Bogenschütze nicht lange an seinem Aufstellort erhalten. Vermutlich 1942 wurde er im Rahmen der kriegsbedingten Buntmetallsammlung demontiert und überstand nur zufällig den Krieg auf einem Lagerplatz in Hamburg. Dort wurde er – allerdings ohne seinen Bogen – nach Kriegsende wiederentdeckt, nach Mülheim gebracht und dort in den Ruhranlagen aufgestellt. Ein erneuter Umzug brachte ihn schließlich ins Luisental, wo er 2011 von einem dreisten Dieb gestohlen wurde. Glücklicherweise tauchten erst die schwer beschädigte Skulptur, dann auch noch die herausgesägten Einzelteile wieder auf, so dass die berühmte Mülheimer Skulptur restauriert und am 1. Juni 2012 wieder im Luisental aufgestellt werden konnte.
(Ra)