Eröffnung des Zentralhallentheaters
Mülheim hat heutzutage den Ruf einer Theaterstadt. Institutionen wie das Theater an der Ruhr und Veranstaltungen wie die seit 1976 jährlich stattfindenden Mülheimer Theatertage („Stücke“) begründen dieses Renommee. Dass dies nicht immer so war, ist weniger bekannt.
Die erste Konzession für einen Theaterbetrieb geht bis in das Jahr 1810 zurück. Zwei Jahre nachdem Mülheim von der großherzoglich-bergischen Regierung zur Munizipalität und damit zur Stadt erhoben worden war, erhielt ein Schauspieldirektor namens Stengel die Genehmigung, in Mülheim dauerhaft einen Schauspielbetrieb aufzuziehen. Voraussetzung war, dass er sich den geltenden Zensurgesetzen unterwarf.
Das Stengelsche Theater ging mangels Besucherinteresses rasch wieder ein. Zahlreiche Versuche anderer Betreiber waren ebenso wenig von Erfolg gekrönt. Es folgte eine theaterlose Zeit in Mülheim, die jedoch von Gastspielen auswärtiger Ensembles durchbrochen wurde. In diesem Zusammenhang erlangten die örtlichen Gaststätten eine zunehmende Bedeutung als Spielorte. In Restaurants und Gasthöfen wie „Zum wilden Mann“ oder der „Tonhalle“ erwartete die Besucher neben dem kulinarischen auch ein kultureller Genuss. Weitere Säle mit angegliederter Gastronomie waren der Lohsche Saal, der Schollsche Saal und der Saalbau Kirchholtes.
Bis Mitte der 1890er Jahre war das Mülheimer Theaterleben bestimmt von Gastspielen auswärtiger Schauspielgruppen, so auch in der bereits erwähnten „Tonhalle“ an der Eppinghofer Straße. Besitzer dieser Restauration war seit Ende Mai 1882 Albert Mentzen. Das Engagement des städtischen Dortmunder Ensembles wurde für ihn ein derartiger Erfolg, dass er weitere Pläne schmiedete. Ein ständiges Theater mit eigenen Schauspielern war sein Ziel. Zu diesem Zweck erwarb er 1889 von Georg Stinnes ein Restaurant an der Leineweberstraße. Fünf Jahre später war es soweit: Am 31. Mai 1894 eröffnete Albert Mentzen mit dem Zentralhallentheater erstmals ein ständiges Theater vor Ort mit festem Ensemble. Gespielt wurde zunächst nur im Sommer, später dann ganzjährig.
Zum künstlerischen Leiter berief Mentzen den bisherigen Direktor des Essener Stadttheaters Hugo Walter. Fünf Jahre lang leistete dieser Aufbauarbeit in Mülheim, bis er 1899 vom großherzoglich-mecklenburgischen Hoftheater in Neustrelitz abgeworben wurde. Ihm folgten weitere Regisseure, die seine Arbeit fortsetzten. Im Sommer 1909 schrieb ein Theaterrezensent aus Duisburg in der „Rhein- und Ruhrzeitung: “Die Mülheimer sind glückliche Leute! Sie besitzen ein ständiges Theater mit einem Spielplan, der sich sehen lassen kann und der auch die Werke moderner Autoren zu ihrem Rechte kommen lässt. In der Auswahl der zur Darstellung gelangenden Stücke zeigt sich ein sehr erfreuliches Bestreben, das literarische Niveau auf einer anständigen Höhe zu halten.“
Zur Wintersaison 1906/07 bezog das Zentralhallen-Theater einen Neubau, der neben einem großzügigen Veranstaltungssaal auch ein Restaurant sowie ein Theatercafé beherbergte. Nachdem Albert Mentzen 1908 noch stolz sein 15-jähriges Jubiläum als Theaterdirektor gefeiert hatte, stand er keine zwei Jahre später fassungslos vor dem Ruin. Die Besucherzahlen der Theatersaison 1909/10 waren derart verheerend gewesen, dass Mentzen finanziell am Ende war. Nach der letzten Vorstellung am 28. März 1910 – einer Aufführung der Flotow-Oper „Martha“ – schloss er schweren Herzens sein Theater zum 1. April 1910.
(Roe)