Berta Kempenich, geborene Wolf, entstammte einer traditionsreichen jüdischen Kaufmannsfamilie, die in Mülheim über mehrere Generationen eine Metzgerei betrieb. Ihr Vater Ferdinand Wolf leitete als Inhaber eine Fleischerei am Scharpenberg 42. Das Ladenlokal befand sich im Erdgeschoss des Hauses, das seine Ehefrau Johanna als Tochter des jüdischen Metzgers Samuel Lucas vermutlich in Form einer Erbschaft mit in die Ehe eingebracht hatte. Gemeinsam mit den drei Töchtern Berta, Helene (verheiratete Kipper) und Hermine (verheiratete Pollmeier) lebte das Ehepaar Wolf im ersten Stock des um 1901 errichteten Hauses, das sich im Privatbesitz der Familie befand. Die übrigen Zimmer des mehrgeschossigen Hauses hatten die Geschäftsleute zur Aufbesserung der aus dem Familienbetrieb erzielten Erträge vermietet.
Die am 5. August 1887 in Duisburg geborene Berta war die zweitälteste Tochter der Familie Wolf. Nach ihrer Hochzeit mit dem aus Neheim im Kreis Arnsberg stammenden Ehemann Walter Kempenich, geboren am 10. September 1883, wohnte das kinderlose jüdische Ehepaar zunächst in der Leonhard-Stinnes-Straße in Mülheim, bevor es später – vermutlich aus finanziellen Erwägungen – unter das Dach des elterlichen Hauses zog. Ihren Lebensunterhalt bestritten beide durch den Verkauf von Aussteuerware: Berta zog von Tür zu Tür und pries die Produkte an, während ihrem Ehemann, der als Handlungsgehilfe bei der Stadt Mülheim gemeldet war, die Aufgabe oblag, bei jenen Kunden nachträglich das Geld einzuholen, die beim Erhalt der Ware den geforderten Betrag nicht vollständig bezahlen konnten.
1942 wurde das Haus der Familie Wolf am Scharpenberg 42 von den Nationalsozialisten zweckentfremdet und zum sogenannten „Judenhaus“ erklärt. Damit wurde es – ebenso wie neun weitere „Judenhäuser“ in Mülheim – mit vom NS-Regime verfolgten Opfern belegt. Wer – wie die Familie Wolf – eigenen großflächigen Wohnraum besaß, musste im Zuge dieser Zwangsumsiedlungen in seinen eigenen vier Wänden die Einquartierung jüdischer Mitbürger hinnehmen, die zuvor systematisch aus ihren Wohnungen vertrieben worden waren.
Gemeinsam mit ihrer Mutter Johanna, die ihren Mann im Jahr 1935 durch einen natürlichen Tod verloren hatte, kamen Berta Kempenich und ihr Ehemann Walter im familieneigenen Nebenhaus Scharpenberg 42 I unter. Ebenso erging es Bertas Schwester Hermine, die einen Christen geheiratet hatte, und deren jüdisch getauftem Sohn Günter. Dagegen wurden die Wohnungen des Haupthauses am Scharpenberg zur Zwangsumsiedlung anderer jüdischer Familien genutzt, die in keinerlei verwandtschaftlicher Beziehung zur Familie Wolf standen. Im Haupthaus waren während der im Herbst 1941 einsetzenden Deportationswelle insgesamt 15 Personen jüdischen Glaubens untergebracht.
Wie für alle Insassen des „Judenhauses“ am Scharpenberg war diese Bleibe auch für Walter und Berta Kempenich die letzte Station vor der Deportation. Am 21. April 1942 wurde das Ehepaar von Düsseldorf-Derendorf in das Ghetto Izbica deportiert*. Mit ihnen sind auch Bertas Schwester Hermine Pollmeier und ihr Sohn Günter nach Izbica deportiert worden. Aus dem Transit-Ghetto Izbica wurden die jüdischen Bewohner in die Vernichtungslager Sobibór oder Belzec deportiert. Da kein genaues Todesdatum bekannt ist, wurden Berta und Walter Kempenich am 31. Dezember 1945 offiziell für tot erklärt. Die 84-jährige Mutter beziehungsweise Großmutter Johanna Wolf musste am 21. Juli 1942 nach Theresienstadt, wo sie am 1. September 1942 starb. Als einziges jüdisches Familienmitglied überlebte Berta Kempenichs Schwester Helene den Holocaust.
*Seit der Verlegung 2010 sind durch neue Quellen und Forschungsergebnisse Erkenntnisse über das Schicksal der nach Izbica Deportierten gewonnen worden, durch die sich nun Abweichungen von den Angaben auf den Stolpersteinen ergeben:
Berta und Walter Kempenich sind nicht nach Auschwitz deportiert worden. Sie befinden sich auf der Deportationsliste vom 22. April 1942 von Düsseldorf in das Ghetto Izbica:
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT420422-20.jpg
Verlegeort Scharpenberg 42
Verlegedatum 2. März 2010
Verfasst von AG Stolpersteine der Realschule Broich