Man könnte sie als eine der großen Abenteurerinnen des 20. Jahrhunderts bezeichnen, denn Clärenore Stinnes war der erste Mensch, der mit dem Auto die Welt umfuhr und dies in nur 26 Monaten - eine für damalige Verhältnisse unglaubliche Leistung.
Sie wurde am 21. Januar 1901 in Mülheim an der Ruhr als drittes von sieben Kindern des Großindustriellen Hugo Stinnes und seiner Frau Cläre (Klara) geboren. Schon früh entdeckte sie ihre Leidenschaft für den Motorsport. Der Tod des Vaters und das dadurch entstandene Zerwürfnis mit der Familie ließ Clärenore nach eigenen Verdienstmöglichkeiten Ausschau halten. Nach einem gescheiterten Versuch, selbst eine Firma aufzubauen und einigen Aufträgen als Mannequin traten die Dino-Automobilwerke, die zuvor zum Stinnes-Konzern gehört hatten, mit dem Angebot für einen Job als Rennfahrerin zu Werbezwecken an sie heran. Trotz des Protests ihrer Familie nahm sie an dem Rennen teil, wenn auch unter dem Pseudonym "Fräulein Lehmann". Fortan fuhr sie jedes Wochenende ein Rennen, von denen sie insgesamt siebzehn gewann.
Um diese Zeit muss ihr auch die Idee für ihre Weltumrundung gekommen sein. Nach zwei Jahren der Vorbereitung und mit finanzieller Unterstützung ihrer Familie und der Autoindustrie begann sie ihre Fahrt am 25. Mai 1927 in Frankfurt. Zusammen mit ihr reisten der schwedische Kameramann Carl-Axel Söderström in einem Adler Standard 6 sowie zwei Techniker der Autoindustrie in einem Begleitwagen mit 148 hartgekochten Eiern als Verpflegung im Gepäck neben der technischen Ausrüstung.
Die Reise führte Clärenore und ihre Begleiter zuerst Richtung Osten, über Prag, Budapest, Konstantinopel, Bagdad und Teheran bis nach Moskau. Dort schrumpfte die Reisegesellschaft: Die Techniker ertrugen die Strapazen der Unternehmung nicht mehr und stiegen aus. Das Auto musste aufgrund der schlechten Straßen häufig geschoben werden und die Versorgung mit Proviant verlief auch nicht nach Plan; oft gab es nichts zu essen. Doch Clärenore fuhr unbeirrbar weiter. In Sibirien musste das Motoröl jeden Morgen aufs Neue aufgetaut werden. Nach der Überquerung des zugefrorenen Baikalsees erreichten sie schließlich Peking. Von dort reisten sie mit dem Schiff weiter nach Japan, Hawaii, San Francisco und schließlich nach Peru. Der Weg durch die Anden war beschwerlich, da dort die Straßen weder auf Karten verzeichnet noch für Autos ausgerichtet waren. Mit Hilfe von Dynamit räumten sich die beiden den Weg frei. Als letzte Etappe war die Durchquerung der USA gedacht, was dank des gut ausgebauten Straßennetzes für die zwei Abenteurer ein Kinderspiel war.
Am 24. Juni 1929 endet Clärenore Stinnes spektakuläre Reise unter großen Medientrubel in Berlin. Noch im selben Jahr erscheint ihr Buch "Im Auto zwischen zwei Welten", in dem sie ihre Erlebnisse niederschrieb. Carl-Axel Söderström wirkte durch seine Fotos mit an dieser Veröffentlichung. Wenige Monate später erschien auch der gleichnamige Film.
Während der Fahrt waren sich die beiden Gefährten näher gekommen. Das Paar heiratete, nachdem sich Söderström von seiner ersten Frau hatte scheiden lassen, im Dezember 1930 in Schweden, wohin das Ehepaar auch 1931 auswanderte und sich auf einem Gut des Stinnes-Konzerns niederließ. Dort bewährte sich die Tochter eines Großindustriellen aus dem Ruhrgebiet als Landwirtin. In ihrer Freizeit engagierte sie sich außerdem in einem zivilen Frauenkorps. Neben ihren drei leiblichen Kindern boten die Söderströms noch mehreren Pflegekindern ein Heim.
Bis zu ihrem Tod am 7. September 1990 blieben Automobile Clärenores große Leidenschaft. Trotz des großen Medieninteresses nach ihrer Reise und dem Bekanntheitsgrad ihrer Familie sind Clärenore Söderström, geborene Stinnes, und ihre Weltumrundung heutzutage der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt.