Der am 18. August 1876 in der damals noch selbständigen Landgemeinde Eppinghofen geborene Hermann Meyer war Sohn der Eheleute Levi/Leo und Friederika/Regina Meyer, geborene Meyer, einer alt eingesessenen jüdischen Metzgerfamilie. Der Vater führte eine Metzgerei, nachweislich bis 1918. Die Familie wohnte in Eppinghofen Nr. 129½. Er war verheiratet mit der am 23. Mai 1888 in Kamp (heute Kamp-Lintfort) geborenen Sibilla Jesse. Sie heirateten am 23. Januar 1907, wie in damaliger Zeit üblich, am Wohnsitz der Braut. Hermann Meyer trat in die Fußstapfen seines Vaters und wurde ebenso Metzger. Die Familie wohnte in der Georgstraße 2, wo auch die Tochter Hildegard am 18. Dezember 1907 geboren wurde. Am 17. Oktober 1909 erblickte der Sohn Kurt, ebenfalls in Mülheim an der Ruhr, das Licht der Welt.
Hildegard war von 1914 bis 1920 Schülerin der Luisenschule. Kurt besuchte von 1916 bis 1921 die Oberrealschule Mülheim an der Ruhr. Er wurde wie sein Vater und Großvater Metzger, durfte aber offensichtlich während der NS-Zeit seinen Beruf nicht mehr ausüben, zumindest deutet auf der Einwohnermeldekarte die durchgestrichene Berufsbezeichnung als Metzger, geändert in "Tiefbauarbeiter", darauf hin. Er wurde demnach zu Tiefbauarbeiten herangezogen - eine Schikane der Nazis gegenüber der jüdischen Bevölkerung. Am 18. Oktober 1941 heiratete er Hanna Herz, die am 14. Mai 1921 in Recklinghausen geboren war. Sie lebte auch mit im Haushalt in der Auerstraße 23 und auch sie ist später zusammen mit den anderen Familienmitgliedern deportiert worden.
Am 30. August 1923 ist die Familie von der Georgstraße 2 zur Auerstraße 23 verzogen. In diesem Hause betrieb Hermann Meyer nachweislich von 1930 bis 1937 eine Metzgerei. In den Adressbüchern der Jahre 1912 bis 1938 finden sich bereits Eintragungen über die Metzgerei Hermann Meyer, zunächst noch in der Georgstraße 2, später unter der Adresse Auerstraße 23. Die Bauakte des Hauses Auerstraße 23 belegt mehrere baulich vorgenommene Veränderungen im Wohn- und Geschäftsbereich des Hauses. Er muss in dieser Zeit auch geschäftliche Beziehungen mit dem Viehhändler Albert Salomon Moses unterhalten haben, weil dieser von 1936 bis 1939 auch in der Auerstraße 23 gemeldet war. 1933 gibt es einen Vorgang mit Eingaben hiesiger Viehhändler an den Oberbürgermeister über die Ausübung des Viehhandels durch den Viehhändler Albert Moses und den Metzgermeister Hermann Meyer. Für Albert Salomon Moses ist ebenfalls ein „Stolperstein“ verlegt.
Im Hause Auerstraße 23 wohnte die Familie bis zum 21. April 1942. Unter diesem Datum ist in den Einwohnermeldekarten der Familienmitglieder der Vermerk „n.[ach] unbekannt Abwanderung“ eingetragen worden. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich das Datum der Deportation der Familie. Die Deportation der Familie begann mit einem Schreiben, das ihnen Mitte April 1942 zugestellt wurde. Es gab ihnen auf, sich am 20. (oder frühmorgens am 21.) April im Barackenlager Holbeckshof – oder alternativ im Betsaal des Essener Gemeindehauses Hindenburgstraße einzufinden. Vom Hauptbahnhof Essen wurden sie am 21. April 1942 mit dem Sonderzug „Da 125“, der aus fünf bis sieben Personen- und zwei Güterwagen bestand, mit 353 Juden aus Essen und Umgebung nach Düsseldorf-Derendorf überführt. Dort, im Sammellager am Schlachthof, wurde über Nacht die Gesamtgruppe aus dem Bereich der Staatspolizeidienststelle Düsseldorf zusammengestellt. Der Transport mit 387 Männern und 684 Frauen, in insgesamt 20 Wagen, verließ den Bahnhof Derendorf am 22. April 1942, um 11.06 Uhr, als Sonderzug „Da 25“.
Zielort des Transportes war ursprünglich Trawniki. Allerdings wurde als Zielort kurz vor der Abfahrt „Izbica“ festgelegt. In dem dortigen Durchgangslager verblieben die Deportierten bis etwa Oktober 1942. Postkarten aus dieser Region erreichten innerhalb dieses Zeitraums (von April bis Oktober 1942) Familienangehörige im Rheinland und im Ruhrgebiet. Im Oktober 1942 wurden die Verschleppten zu einem Vernichtungslager, vermutlich Sobibor, transportiert; andere Deportierte vielleicht auch nach Belcec. Hermann, Sibilla und ihre beiden erwachsenen Kinder, Hildegard und Kurt Meyer sowie die Schwiegertochter Hanna wurden vom Amtsgericht Mülheim an der Ruhr mit Datum 8. Mai 1945 für tot erklärt. Es ist davon auszugehen, dass sie im Ghetto Izbica ermordet wurden.
Das Haus Auerstraße 23 muss wohl bei den Bombenangriffen auf Mülheims Innenstadt beschädigt oder zerstört worden sein. Der von Julius Levi gestellte Antrag auf Wiederaufbau des Wohn- und Geschäftshauses wird aus planungsrechtlichen Gründen 1946 abgelehnt.
Verlegeort Auerstraße 23
Verlegedatum 31. Januar 2017
Verfasst von W. von Gehlen