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Frieda, Paul, Ruth und Dagobert Heimann

Paul Heimann wurde am 14. Februar 1892 als Sohn des Kaufmanns David Heimann und seiner Ehefrau Henriette, geborene Steinwahser (Steinwasser), geboren. Heimann und Steinwasser sind in Mülheimer Adressbüchern zwischen 1883 und 1912 als Metall- und Altwarenhändler vermerkt. Es ist anzunehmen, dass Pauls Eltern aus diesen Familien stammen, denn David Heimann ist ebenfalls im Adressbuch der Stadt Mülheim als Altwarenhändler eingetragen. In Pauls Geburtsurkunde ist die Bahnstraße 18 als Wohnort eingetragen. In den Folgejahren zog die Familie mehrfach in der Mülheimer Innenstadt um (unter anderem Falkstraße 11, Althofstraße 46), bis sie sich 1911 im Froschenteich 18 niederließ. 1916 wurde diese Adresse in Hindenburgstraße 78 (heute Friedrich-Ebert-Straße) umbenannt. Als Vater David 1915 starb, blieb Mutter Henriette mit ihren Töchtern Hedwig, Selma und Frieda dort wohnen. Sie arbeitete in diesen Jahren als Köchin.

Am 13. Dezember 1918 kehrte Paul als Soldat aus dem I. Weltkrieg zurück. Am 15. Mai 1922 schloss er vor dem Standesbeamten in Laasphe (heute Bad Laasphe) die Ehe mit Frieda, geboren am 13. November 1893 in Laasphe, geborene Grünenbaum, zweitälteste Tochter von Metzger Siegmund Grünenbaum und seiner Ehefrau Lina, geborene Rosenberg. Frieda hatte sechs Geschwister. Am 14. Mai 1924 meldete sich Paul Heimann mit seiner Familie zum Löhberg 2 um. Für seine Ehefrau und den am 25. April 1923 in Laasphe geborenen Sohn Dagobert ist diese Anschrift als Zuzugsadresse vermerkt. Paul arbeitete in Mülheim als Elektromonteur. Am 13. Oktober 1925 wurde in Mülheim an der Ruhr die Tochter Ruth geboren. Die vierköpfige Familie zog am 15. März 1934 vom Löhberg in das Haus Adolf-Hitler-Straße (heute Friedrichstraße) 14, um. Diese Adresse ist auf der Meldekarte eingetragen.

Laut Meldekarte des Vaters ist – allerdings nur für ihn – unter dem 6. April 1938 ein Umzug zur Schwerinstraße 52 beurkundet. Die Ursache dafür dürfte die Trennung/Scheidung von Paul und Frieda sein, die in Pauls Sterbeurkunde vermerkt ist. Paul Heimann wurde im Rahmen der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ am 22. Juni 1938 mit dem Vermerk „Lungen-TBC“ ins Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert. Er hatte die Häftlingsnummer 5052. Unter dem 21. Oktober 1939 ist sein Tod mit einem Hinweis auf „St[andes]A[mt] Sachsenhausen“ eingetragen. In seiner Geburtsurkunde ist als Sterbeort „Oranienburg, Sterbeurkunden-Nr. 763/1939“ vermerkt. Als Todesursache ist dort „Lungenentzündung“ vermerkt. Die Insassenliste des Konzentrationslagers vermerkt „Gefäßkrankheit“ als Ursache. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Zusammenhang mit dem Inhaftierungsgrund TBC besteht.

Sohn Dagobert hatte sich am 13. Juni 1938 nach Köln in die Agrippastraße 10 ab- und von dort am 10. März 1939 wieder in Mülheim, Adolf-Hitler-Straße 14, angemeldet. Die Meldekarten der Ehefrau und der Kinder beschreiben unter dem 1. April 1939 einen Wohnsitzwechsel zum Scharpenberg 42. Dieses Haus gehörte damals zu den sogenannten Judenhäusern, so dass anzunehmen ist, dass dieser Wohnsitzwechsel nicht freiwillig erfolgte.                                                

 Sohn Dagobert starb 18-jährig am 24. Juni 1941 um 13.55 Uhr im St. Marien-Hospital Mülheim an der Ruhr. Er soll an den Folgen von „Lymphogranulomatose, Herz- und Kreislaufschwäche“, einem in der damaligen Zeit kaum heilbaren Lymphom verstorben sein. Die Sterbeurkunde enthält zudem Hinweise darauf, dass der Vater, Paul Heimann, in Oranienburg verstorben und die Mutter, Frieda Heimann, in Mülheim an der Ruhr, Scharpenberg 42, gemeldet ist, wie dies auch ihre Meldekarte ausweist.

Tochter Ruth wohnte seit 12. November 1940 in Berlin NO 18, Josty Straße 10. Nach dem Tod ihres Bruders kehrte sie am 5. Juli 1941, von Berlin-Charlottenburg, Knesebeckstraße 86/87, zu ihrer Mutter zum Scharpenberg 42 zurück. In der Knesebeckstraße 86/87 wohnte die jüdische Familie Blum, die 1943 nach Ausschwitz deportiert wurde und für die Stolpersteine verlegt sind. Es ist anzunehmen, dass Ruth dort als Hausmädchen arbeitete. Mutter und Tochter verließen Mülheim an der Ruhr am 10. Dezember 1941 „nach Riga, durch Umsiedlung“. Mit dieser Eintragung auf ihren Meldekarten ist offensichtlich ihre an diesem Tage erfolgte Deportation nach Riga, in das dortige Konzentrationslager, beschrieben.

„Der Transport mit der Zugnummer „Da38“, dem nur 21 Düsseldorfer Juden zugeordnet waren, setzte sich überwiegend aus Mitgliedern von über 40 umliegenden jüdischen Gemeinden zusammen, darunter 21 Menschen aus Hamborn, 127 aus Krefeld, 42 aus Moers, 74 aus Mönchengladbach, 25 aus Neuss und 21 Menschen aus Wesel. Sie alle waren tags zuvor am Düsseldorfer Hauptbahnhof eingetroffen und mussten sich von dort zu Fuß zum Schlachthof im Stadtteil Derendorf, Rater Straßer 3, begeben, der für diesen Transport als Sammellager diente. Am 11. Dezember 1941, gegen vier Uhr morgens, traten die Juden den Weg zum Güterbahnhof Derendorf an. Die Ankunft des Sonderzuges verzögerte sich aufgrund personeller Schwierigkeiten bei der Reichsbahn um etwa vier Stunden. Da der Zug erst gegen Abend des 13. Dezember 1941 den Bahnhof Riga-Skirotava erreichte und deshalb nicht mehr entladen werden konnte, verbrachten seine Insassen die Nacht in den inzwischen unbeheizten Waggons bei einer Außentemperatur von minus zwölf Grad Celsius. Das Durchschnittsalter für diesen Transport lag bei 42 Jahren, dazu gehörten 76 Kinder bis zum zehnten Lebensjahr. 98 Personen überlebten“.

Über diesen Transport gibt es mehrere dokumentierte Zeitzeugenberichte, zum Beispiel von Jeanette Wolff, Hilde Sherman-Zander und Liesel Ginsburg-Frenkel aus Mönchengladbach. Aus der Perspektive eines aufsichtführenden Hauptmanns der Schutzpolizei, gewohnt Befehle zu befolgen und von der antisemitischen Lehre durchdrungen, gibt Fritz Salitter Bericht über diesen Transport, statistisch genau, detailliert, auf erschreckende Weise nüchtern und völlig emotionslos. Dennoch stellt diese Schilderung eine wichtige historische Quelle dar, weil neben den Zahlen und Fakten auch die unwürdigen Begleitumstände des Transportes beschrieben werden genauso wie zum Beispiel die Einstellung der Letten zu den Juden.

Frieda Heimann wurde vermutlich in Riga ermordet und laut Beschluss des Amtsgerichtes Mülheim an der Ruhr vom 2. September 1954/ 6 II 12-13 / 54 StA Mülheim an der Ruhr Nr. 1128 für tot erklärt.

Die Tochter Ruth wurde vermutlich ebenfalls dort ermordet. Laut Beschluss des Amtsgerichtes Mülheim an der Ruhr vom 2. September 1954/ 6 II 12-13 / 54 StA Mülheim an der Ruhr Nr. 1129, wurde sie ebenfalls für tot erklärt.

 

Verlegeort Friedrichstraße 14

Verlegedatum 24. Mai 2019

Verfasst von W. von Gehlen und überarbeitet von C. Miller