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Helene Brinkmann

Helene Brinkmann wurde am 31. Mai 1886 in Mülheim an der Ruhr als Helene Meier geboren. Ihre Eltern stammen aus alteingesessenen jüdischen Mülheimer Familien. Ihr Vater Isi­dor Meier, ein Fabrikarbeiter beziehungsweise Tagelöhner, war Mitglied der Mülheimer Synagogengemeinde und ihre Mutter Julie Meier, geborene Rosenbaum, hatten insgesamt zehn Kinder. Ob Helene eine Schule besuchte, konnte nicht belegt werden.

Helene Meier heiratete mit 46 Jahren, am 25. Oktober 1932, den gebürtigen Mülheimer Karl Heinrich Brinkmann, der auf den Tag genau fünf Monate jünger war als sie. Da er sich standhaft weigerte als evangelischer Christ, sich von seiner jüdischen Frau scheiden zu lassen, fand er seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten keine Anstellung mehr in seinem Beruf als Kaufmann und musste sich ab 1934 als Gelegenheitsarbeiter durch­schlagen, bis er 1942 unter Verheimlichung seiner Verhältnisse eine Beschäftigung als technische Hilfskraft bei der Vereinigten Deutschen Zinkweißfabrik in Oberhausen fand. Sie ermöglichte es ihm wieder, den Lebensunterhalt für sich und seine Frau zu bestreiten.

Als 1943 ihre Wohnung im Haus Löhberg 2 durch einen Bombentreffer vollständig zerstört worden war, ignorierten die Ämter den Antrag der Eheleute auf Unterstützung, so dass sie sich wochenlang „herumtreiben“ mussten. Schließlich fanden sie selbstständig eine Unterkunft, wahrscheinlich in der Ulmenallee Nr. 78, aus der sie jedoch bereits nach neun Monaten hinausgeworfen wurden, als Helenes jüdische Abstammung bekannt wur­de. Auch in der nächsten Wohnung, Duisburger Straße Nr. 431, musste das Ehepaar ähnliche Verfolgungen ertragen. Überhaupt waren die beiden im Laufe der Jahre zahlreichen De­mütigungen und Gemeinheiten ausgesetzt. Die Gestapo erteilte ihnen zum Beispiel einen strengen Verweis, nur weil sie gemeinsam eine Veranstaltung in der Stadthalle besucht hatten. Trotzdem hielt ihr Ehemann treu zu Helene.

Am 17. September 1944 wurde Helene Brinkmann dann zusammen mit ihrer älteren Schwester Rosa von der Gestapo inhaftiert und ins Polizeigefängnis in Mülheim ver­bracht. Tags darauf erfolgte die Deportation der Geschwister ins Lager der Organisation Todt in Minkwitz (Sachsen). Dazu wurden sie mit anderen Häftlingen in überfüllte Viehwa­gen verfrachtet, wo sie die etwa fünfstündige Fahrt ohne Nahrung und Wasser verbringen mussten. Bei ihrer Ankunft in Minkwitz wurden Helene und ihren Leidensgenossinnen die gesamten persönlichen Habseligkeiten abgenommen. Sie mussten die ihnen zur Verfügung gestellte Kleidung an­ziehen. Untergebracht wurde Helene mit etwa vierzig weiteren Frauen im Saal einer Gast­stätte, wo sie in einem Mantel auf Stroh schlief. Ihr Mann sandte ihr Decken, Kopfkissen, Wäsche und weitere Dinge zu, die jedoch nie bei ihr ankamen.

Unter der Oberhoheit der Organisation Todt musste Helene in der zehn Kilometer entfernt liegenden Stadt Zeitz zusammen mit ihren Mithäftlingen Bombenschäden beseitigen. Die weite Strecke von ihrer Unterbringung bis zu ihrem Einsatzort bewältigten die Frauen zu Fuß – zehn Kilometer jeden Tag hin und zurück. Die Holzschuhe, mit denen sie ausgerüstet worden waren und die meist die falsche Größe hatten, erwiesen sich für den langen Fußmarsch und die harte Arbeit in den Trümmerfel­dern als völlig ungeeignet. Helene Brinkmann erlitt durch dieses unbequeme Schuhwerk eine Deformierung ihrer Füße: Es bildete sich ein beidseitiger Spreizfuß, an dem ihre Ze­hen in Krallenstellung standen. Jeder Schritt war für Helene Brinkmann von da an mit Schmerzen verbunden. Darüber hinaus entwickelte sie durch die schlechten Ernährungsverhältnisse im Lager eine chronische Magenschleimhautentzündung.

Um die Effizienz des Zwangsarbeiterinneneinsatzes zu erhöhen, verlegte man schließlich die inhaftierten Frauen direkt nach Zeitz in das Pfarrhaus der katholischen Gemeinde, Brückenweg 8. Der dortige Pastor Clemens Wittelsbach setzte sich selbstlos für seine unfreiwilligen Untermie­terinnen ein. Entgegen klarer Anweisungen ließ er die Frauen mit ihren Angehörigen tele­fonieren und kümmerte sich um ihre Post. Auch die Ärztin Dr. Lüttgenroth ging große Risi­ken ein, als sie die Zwangsarbeiterinnen heimlich in ihrer Privatpraxis medizinisch versorg­te und ihnen Medikamente besorgte. Inwieweit Helene Brinkmann diese beiden hilfsbereiten Menschen kennen lernen konnte, ist nicht bekannt. Denn bereits am 15. Oktober 1944, also nur fast einen Monat nach ihrer Deportation aus Mülheim, wurde sie aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes und wieder gemeinsam mit ihrer Schwester Rosa in das Berliner Internierungslager, ein jüdi­sches Krankenhaus, überführt, wo sie trotz ihrer angeschlagenen Verfassung weitere Zwangsarbeit leisten musste. Auch hier ließ die Lebensmittelversorgung zu wünschen üb­rig, obwohl Helenes Mann für das verlangte Verpflegungsgeld aufkam. Infolge dessen ver­schlimmerten sich ihre Beschwerden in Berlin noch.

Durch die Alliierten befreit, kehrten Helene und Rosa am 1. August 1945 wieder nach Hau­se zurück. Doch noch bis zu ihrem Tod im Jahre 1966 litt Helene unter den Folgen ihrer In­haftierung. Das Gesundheitsamt bescheinigte ihr 1948 eine Minderung der Arbeitsfähigkeit von 80%, von denen 50% auf ihre Verfolgung zurückgeführt wurden. Jeden Morgen hatte sie mit Schmerzen in der Magengegend zu kämpfen und täglich musste sie sich oft mehrmals über­geben. Mindestens eine Operation ließ sie an einem ihrer Füße vornehmen. Aber auch einen psychischen Schaden, ein „deutlich nachwirkendes seelisches Trauma“, das ihre körperlichen Leiden verschlimmerte, trug sie davon. Ihr Ehemann fasste seine Situation im Jahre 1949 wie folgt zusammen: „Geblieben ist mir eine kranke übernervöse Frau, welche ich jetzt pflegen darf.“ Es ist anzunehmen, dass er dies, soweit es ihm möglich war, bis zu seinem Tod am 12. Dezember 1956 auch getan hat.

Nach dem Tod ihres Mannes blieb Helene von ihrer engsten Familie nur noch ihre Schwester Johanna, die all ihre Schwestern überlebte. Rosa, die in der Haft viele Leiden mit Helene geteilt hatte, war gesundheitlich noch stärker angeschlagen als ihre Schwester Helene aus der Haft zurück gekehrt. Sie starb infolge dieser gesundheitlichen Schäden bereits 1951 im Al­ter von 66 Jahren. Nachdem Paula, Helenes jüngste Schwester, in Gelsenkirchen gehei­ratet hatte, wurde sie nach Theresienstadt deportiert und dann nach Kriegsende für tot erklärt. Somit lebte von Helenes drei Schwestern, nachdem ihr Ehemann Karl Brinkmann verstorben war, nur noch Johanna, die 1945 ebenfalls schwer krank nach dreijähriger Haft aus dem Konzentrationslager in Theresienstadt nach Mülheim zurückgekehrt war. In ihrem Testa­ment setzte Helene dann auch Johanna als Erbin ein.

Helene verstarb schließlich am 26. September 1966. Sie wurde 80 Jahre alt. Das Ehepaar Brinkmann ist in einem gemeinsamen Grab auf dem hiesigen jüdischen Friedhof beige­setzt.

 

Verlegeort Heelweg 2

Verlegedatum 31. Januar 2017

Verfasst von N. Skalecki