Julius Hirsch wurde am 10. Februar 1875 in Mülheim an der Ruhr geboren. Seine Frau Henriette Marcuse, geboren am 3. Januar 1882, stammte aus dem westpreußischen Loebau (heute Lubawa). Julius Hirsch war von Beruf eigentlich Kaufmann, betätigte sich später aber auch als Versicherungsvertreter. Nach dem Zuzug von Gelsenkirchen im Jahre 1891 wohnte die Familie mit ihren beiden in Mülheim geborenen Töchtern Helene, geboren am 21. Dezember 1921, und Eva, geboren am 29. Juni 1925, zunächst am Löhberg 66, dann einige Jahre (1923-1929) in der Leineweberstraße 4, schließlich nach einem Umzug 1929 im Kohlenkamp 8. Dieses war der letzte freigewählte Wohnsitz der Familie Hirsch.
Die ältere Tochter Helene wurde zu Ostern 1928 in die Schule an der Auerstraße eingeschult. Sie wechselte auf die Dickswallschule, schließlich - 1932 – auf die weiterführende städtische Mädchenmittelschule. Ihr vorzeitiger Austritt aus der Mittelschule zum September 1935 ist mit der Bemerkung versehen „Besuch der Volksschule aus wirtschaftlichen Gründen“. Ihre Schwester Eva wurde zu Ostern 1932 eingeschult und blieb höchstwahrscheinlich bis Dezember 1938 und der gemeinsamen Flucht mit ihrer Schwester auf der gleichen Schule. Sie flüchteten in die Niederlande, wo Helene zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts als Dienstmädchen arbeitete. Im Juli 1942 wurden beide von Westerbork nach Auschwitz deportiert. Nach verlässlichen Aussagen hatten beide Schwestern vor ihrem Tod noch im Bordell außerhalb des Lagers für Offiziere und Aufseher zur Verfügung zu stehen. Am 30. September wurden Helene und Eva Hirsch in Auschwitz ermordet.
Julius Hirsch und seine Frau Henriette wurden zum Zeitpunkt der Flucht ihrer Töchter in das „Judenhaus“ am Scharpenberg 42 zwangseingewiesen. Im Sommer 1942 wurden sie von dort ins Konzentrationslager nach Theresienstadt deportiert. Mindestens 49 weitere ältere Mülheimer jüdischen Glaubens waren zusammen mit dem Ehepaar Hirsch am 21. Juli 1942 in diesem von der Reichsbahn unter der Bezeichnung „Da 70“ zusammengestellten Transport, der vom Düsseldorfer Güterbahnhof in Derendorf startete. In Theresienstadt fand Julius Hirsch im Alter von 68 Jahren am 8. Juli 1943 den Tod. Seine Frau Henriette wurde mit einem der ab Januar 1943 einsetzenden Transporte weiter nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Verlegeort Kohlenkamp 8 [Wegen der Lage des Hauses Kohlenkamp 8 an der Ecke zur Leineweberstraße wurden die Stolpersteine nach hinten versetzt zur Leineweberstraße verlegt, um zu verhindern, dass sie durch die Auslagen des Geschäfts vor dem Haus überdeckt und damit übersehen werden.]
Verlegedatum 18. Dezember 2004 [Helene Hirsch], 11. Oktober 2007 [Eva Hirsch], 9. November 2010 [Julius und Henriette Hirsch]
Verfasst von G. Bennertz, AG Stolpersteine der Realschule Stadtmitte [Helene Hirsch]