Johanna Wolf wurde am 30. April 1858 als Tochter des Metzgers Samuel Lucas in Mülheim an der Ruhr geboren. Nach der Heirat mit Ferdinand Wolf (1858-1935) wohnte sie mit ihm gemeinsam in ihrem Elternhaus am Scharpenberg 42, das sie vermutlich von ihren Eltern geerbt und mit in die Ehe gebracht hatte. Das Ehepaar Wolf hatte insgesamt acht Töchter, von denen drei (Klara, Elfriede und Emilie) bereits im frühen Kindesalter verstarben. Die zweitälteste Tochter des Ehepaars, Bertha, wohnte mit ihrem Ehemann Walter Kempenich in der Leonhard-Stinnes-Straße. Die vierte Tochter, Helene, verheiratete Kipper, lebte in der Nähe von Herne und hat später vermutlich als einziges jüdisches Mitglied der Familie die NS-Zeit überlebt.
Die jüngste Tochter der Familie Wolf, Hermine, geboren am 31. Mai 1894, war Hutmacherin und hatte in der elterlichen Wohnung ein Atelier. Im Januar 1921 heiratete sie den nichtjüdischen Telegraphisten Johann Pollmeier. Am 8. Mai 1922 kam dann der gemeinsame Sohn Günter zur Welt. Als Sohn eines katholischen Vaters und einer jüdischen Mutter wuchs Günter im Haus seiner Großeltern, Scharpenberg 42 – einem der späteren sogenannten „Judenhäuser“ – im jüdischen Glauben auf. Ab Ostern 1928 besuchte Günter Pollmeier die Volksschule an der Trooststraße, wechselte 1933 auf die städtische Knabenmittelschule und verließ diese vorzeitig im Juli 1935, um zur Volksschule zurückzukehren. Nach dem Schulabschluss begann er eine Lehre in einem Essener Konfektionshaus, wo ihm sein Status als Halbjude aber bald Probleme bereitete und er deswegen die Ausbildung abbrechen musste.
Am 21. April 1942 wurden Hermine Pollmeier und ihr Sohn Günter Pollmeier aus Mülheim nach Izbica deportiert*. Günter wäre als Halbjude von der Deportation wohl verschont geblieben. Er entschied sich aber dafür, seine Mutter nicht allein zu lassen. Aus dem Transit-Ghetto Izbica wurden die jüdischen Bewohner in die Vernichtungslager Sobibór und Belzec gebracht und ermordet. Mit Datum vom 31. Dezember 1945 wurden beide für tot erklärt.
Johanna Wolf wurde am 21. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 1. September 1942 den Tod fand.
*Seit der Verlegung 2004 (für Günter Pollmeier) beziehungsweise 2010 (für Hermine Pollmeier) sind durch neue Quellen und Forschungsergebnisse Erkenntnisse über das Schicksal der nach Izbica Deportierten gewonnen worden, durch die sich nun Abweichungen von den Angaben auf dem Stolpersteinen ergeben. Hermine und ihr Sohn Günter Pollmeier sind nicht nach Auschwitz deportiert worden. Sie befinden sich auf der Deportationsliste vom 22. April 1942 von Düsseldorf in das Ghetto Izbica: https://www.statistik-des-holocaust.de/OT420422-34.jpg.
Verlegeort Scharpenberg 42
Verlegedatum 18. Dezember 2004 [Günter Pollmeier], 2. März 2010 [Hermine Pollmeier]
Verfasst von AG Stolpersteine der Realschule Stadtmitte [Günter] / AG Stolpersteine der Realschule Mellinghofer Straße [Hermine]