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Johanna Richter

Johanna Richter kam am 19. Juni 1887 in Mülheim an der Ruhr als Tochter des Ehepaares Isidor und Julie Meier geborene Rosenbaum zur Welt. Ihre Eltern stammten aus alteingesessenen jüdischen Mülheimer Familien und hatten insgesamt zehn Kinder. Ihr Vater war ein Fabrikarbeiter und Mitglied der Mülheimer Synagogengemeinde. Zusammen lebten sie in Mülheim in der Köhle 10, später zog die Familie ein paar Häuser weiter in die Hausnummer 16.

Nach der Volksschule erlernte Johanna den Beruf der Verkäuferin und war bis zu ihrer Eheschließung, am 9. November 1915, bei der Firma Gebr. Alsberg, in Duisburg-Ruhrort, als Verkäuferin tätig. Johanna Richter konvertierte zum katholischen Glauben. Es ist anzunehmen, dass sie wegen ihrer Hochzeit konvertiert ist, denn ihr Ehemann war katholisch und auf der Heiratskarte findet sich der Vermerk „kath. vorher mosaisch“. Johanna Richter heiratete mit 28 Jahren, am 9. November 1915, den Postassistenten Max Kilian Richter aus Zell am Main, der am 4. August 1887 geboren war. Er wohnte in Oberhausen, in der Lothringer Straße 11. Johanna wohnte bis zur Hochzeit bei ihren Eltern in Mülheim, Köhle 16. Nach der Hochzeit zog das Ehepaar nach Oberhausen. Sie hatten eine Tochter, Edith, die am 13. Juni 1915 in Mülheim geboren wurde. Max Kilian diente im Ersten Weltkrieg als Leutnant im Infanterie-Regiment 257. Er fiel am 22. März 1918. Johanna kehrte 1919 zum Dickswall 12 nach Mülheim zurück. 

Am 20. Juli 1942 wurde Johanna Richter wegen ihrer jüdischen Herkunft von der Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Die Fahrkosten für die Deportation in Höhe von 50 Reichsmark musste sie selbst bezahlen. Aus dem Gestapoleitstellenbereich Düsseldorf wurden in acht Transporten - darunter drei Einzeltransporte – insgesamt 2007 Juden nach Theresienstadt deportiert, von denen 114 Menschen überlebten, so auch Johanna Richter. Die Zuggarnitur am 21. Juli 1942 bestand aus 20 Personenwagen der 3. Klasse, die vermutlich am 20. Juli 1942 als Leerzug (Da 1069) aus Auschwitz nach Düsseldorf-Derendorf gelangt waren. Der Düsseldorfer Transport trug bei der Reichsbahn die Zugnummer (Da 70) und erhielt in Theresienstadt die Bezeichnung „Vll/1“. Darin befanden sich mindestens 51 Personen aus Mülheim an der Ruhr, sehr wahrscheinlich, dass sich darunter auch Johanna Richter befand.

Johanna Richter trug einen Koffer mit sich, der Wäsche, Schuhe, Kleider und Strümpfe enthielt. Die Gestapo erlaubte ihr, 200 Reichsmark mit sich zu führen. In Düsseldorf angekommen, wurden ihr die Wertsachen und persönlichen Halbseligkeiten abgenommen, wie bei ihren anderen Leidensgenossen. Sie erhielten nichts davon zurück. In Theresienstadt musste sie schwere körperliche Arbeit verrichten - bei völlig unzureichender Versorgung mit Lebensmitteln. Als Folgen der fast dreijährigen Haft blieben schwere gesundheitliche Schäden zurück. Sie litt seitdem unter einer schweren Neurose mit Schlaflosigkeit, einem chronischen Gallenleiden und unter Rheuma.

Durch die Alliierten befreit, kehrte Johanna Richter am 31. Mai 1945 wieder nach Mülheim zurück. Ihre frühere Wohnung im Dickswall 12 war durch den Bombenangriff im Juni 1943 unbewohnbar. Sie lebte nach ihrer Rückkehr in der Hittfeldstraße 41 in Speldorf, in einer eineinhalb Zimmerwohnung. Im selben Haus wohnte auch ihre Tochter. Das Gesundheitsamt bescheinigte ihr 1948 eine Minderung der Arbeitsfähigkeit von 80%, von denen 50% auf ihre Inhaftierung zurückgeführt wurden. 1953 wurde ihre Erwerbsminderung auf 35% zurückgestuft und sie wurde aufgefordert, die bis dahin geleisteten Zahlungen zurück zu erstatten, wozu sie sich aber nicht in der Lage sah. Zwischen 1964 und 1967 ist Johanna Richter aus Speldorf in die Innenstadt in die Gracht 103a zusammen mit ihrer Tochter und dem Schwiegersohn umgezogen. Unter dieser Anschrift verstarb sie im Alter von 89 Jahren am 15. Juni 1976. Die Tochter von Johanna und Max Kilian Richter, Edith, wurde als „Mischling“ ebenfalls verfolgt und geschädigt.

 

Verlegeort Dickswall 12 

Verlegedatum 18. Mai 2018

Verfasst von AG Stolpersteine des Gymnasiums Broich