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Mathilde und Arthur Rosenbaum

Arthur Rosenbaum wurde am 12. November 1892 in Mülheim an der Ruhr als Sohn des jüdischen Ehepaares Johanna Rosenbaum, geborene Kaufmann, und Salomon Rosenbaum geboren. 

Arthur hatte acht Geschwister: 

Die älteste Schwester Rosa wurde 1887 geboren. Sie war verheiratet mit Wilhelm Jakob Dörflinger und lebte bis zu ihrer Deportation nach Theresienstadt in Oberwinter am Rhein. Das Ehepaar Dörflinger ist später wieder nach Mülheim zurückgekehrt und hat auf der Heißener Straße 39a gewohnt. Rosa starb hier 1973.

Gustav, der älteste Bruder, geboren 1889, diente als Soldat beim 12. Infanterie-Regiment 171 im Ersten Weltkrieg und fiel bereits in den ersten Kriegswochen. Er wurde am 28. September 1914 gerichtlich für tot erklärt. Sein Name ist auf der Gedenktafel für die Mülheimer jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs verewigt, die heute in der Synagoge in Duisburg hängt.

1890 kam seine Schwester Jeannette zur Welt. Sie heiratete den Friseurmeister Reinicke aus Dinslaken und starb dort 1970.

Antonie, geboren 1891, wurde 1941 zusammen mit ihrer Tochter Ruth ins Ghetto Riga deportiert, wo sie kurz nach der Befreiung starb. 

Bruder Otto wird 1894 geboren. Er tritt beruflich in die Fußstapfen seines Vaters. Als jüdisches Mitglied der KPD wird er von der Gestapo verfolgt und verhaftet. Er stirbt 1942 im Konzentrationslager Groß-Rosen. Auch seine Tochter und sein Schwiegersohn werden verfolgt und ermordet. 

1895 wurde Arthurs Schwester Amalie geboren. Sie heiratete 1920 den aus Styrum stammenden Emil Land und starb 1978 in Mülheim.

Sein jüngster Bruder, Hermann, starb 1901, als er ein Jahr alt war, und wurde auf dem Mülheimer jüdischen Friedhof beigesetzt. 

Arthurs jüngste Schwester war Gerta Alwine und wurde 1903 geboren. Sie heiratete hier 1927 den Schneidermeister Wolf Hersz Zylberminc und emigrierte mit ihm 1934 nach New York.
 

Arthur besuchte eine Volksschule vermutlich in Mülheim an der Ruhr. Von Beginn des ersten Weltkriegs bis zu dessen Ende war er Soldat, wobei er mehrfach verwundet wurde.

Am 8. April 1922 heiratete der Kohlenhändler Arthur Rosenbaum die evangelische Kindergärtnerin Mathilde Johanna Lindemann, geboren am 7. Oktober 1899 in Lintorf. Das Ehepaar wohnte in der Josefstraße 37 in Mülheim an der Ruhr. Die erste Tochter, Hannelore, kam am 2. November 1923 in Mülheim an der Ruhr zur Welt. Drei Jahre später wurde die zweite Tochter, Ingeborg, am 26. März 1926 ebenfalls in Mülheim an der Ruhr geboren. Die beiden Kinder wurden wie ihre Mutter evangelisch getauft. Am 26. Dezember 1926 verzog die Familie nach Kettwig, bevor sie sich ab dem 18. Mai 1928 in der Cheruskerstraße 43 in Mülheim niederließ. Ab dem 15. Januar 1931 lebte die Familie in der Schreinerstraße 6, zwei Jahre später, am 1. Dezember 1933, erfolgte nur Arthurs Umzug in die Sandstraße 71. Dort war er bereits seit 1928 als selbstständiger Inhaber eines Brotgeschäfts tätig. Später übernahm Mathilde das Geschäft, musste es jedoch 1937 aufgeben. Am 1. Oktober 1938 zog Arthur Rosenbaum mit seiner Frau und seiner Tochter Ingeborg in die Eppinghofer Straße 134. Hannelore war wenige Monate zuvor am 12. April 1938 im Alter von 14 Jahren verstorben


Politische Aktivitäten

Seit Ende des Ersten Weltkriegs betätigte sich Arthur Rosenbaum politisch. So unterstützte er zunächst die „Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ (USPD), trat kurze Zeit später jedoch der neu gegründeten „Kommunistischen Partei Deutschlands“ (KPD) bei, in der er Mitglied bis zur „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten im Jahr 1933 blieb. Er war als Ortsgruppenkassierer in Mülheim tätig. Im November 1931 rückte er als Stadtverordneter in der Nachfolge für Auguste Raake (KPD) in den Stadtrat nach. Des Weiteren gehörte er von 1928 bis zu dessen Auflösung 1929 dem „Roten Frontkämpferbund“ an, einem paramilitärischen Kampfverband der KPD. Anschließend schloss er sich dem „Kampfbund gegen den Faschismus“ in Mülheim an der Ruhr an, dessen Leitung er von 1931 bis 1932 übernahm. Außerdem war Arthur Leiter der Erwerbslosenstaffel und Mitglied der „Internationalen Arbeiterhilfe“.

Für seine politische Tätigkeit wurde er bereits zu Zeiten der Weimarer Republik mehrmals inhaftiert: 1919 wurde er wegen Widerstandsleistung gegen die Staatsgewalt zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt, 1923 lautete die Strafe sechs Wochen Zuchthaus wegen ruhestörenden Lärms - er sang kommunistische Lieder - und 1932 wurde ihm Landfriedensbruch vorgeworfen, sodass er zu vier Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Darüber hinaus war Arthur noch wegen Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze, Körperverletzung und weiterer kleiner Vergehen mehrmals kurzzeitig inhaftiert. Nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten wurde er am 1. März 1933 zeitgleich mit seinem Bruder Otto in Schutzhaft genommen und war Häftling im Gefängnis Viersen und Oberhausen. Von dort wurde er ins Konzentrationslager Torgau (Elbe) verlegt, aus dem er am 28. Februar 1934 entlassen wurde.

Wenige Monate später, am 15. November 1934, wurde er wegen Vorbereitung zum Hochverrat festgenommen. Er wurde beschuldigt, als Kassierer für die KPD tätig gewesen zu sein und illegales Schriftmaterial transportiert zu haben. Auch weitere KPD nahe Personen wurden festgenommen, die zum Kundenkreis seiner Bäckerei gehörten. Die Gestapo warf ihm deshalb vor, seinen Brotvertrieb unter anderem als Tarnung für seine politischen Tätigkeiten zu nutzen und die Brotauslieferung mit seinem Lieferwagen zur Vernetzung der Kommunisten zu verwenden. Nach seiner Entlassung blieb Arthur weiterhin mit Angehörigen seiner Genossen in Kontakt. So ließ er seinen Lieferwagen für Besuchsfahrten der Ehefrauen zum Gefängnis in Lüttringhausen umbauen, wo die anderen Weggefährten einsaßen. In einer Vernehmung durch die Gestapo gab Arthur an, er habe im Jahre 1935 fünf bis sechs Fahrten nach Lüttringhausen durchgeführt, wofür er pro Person 2,50 RM und später 3,50 RM erhielt. Jedoch habe er die Fahrten nur bis Ende 1935 ausgeführt, weil ihm die Sache in politischer Hinsicht zu gefährlich geworden sei.

Im Juli 1936 wurde er erneut festgenommen. Diesmal wurde er verdächtigt, sich illegal für die „Rote Hilfe“ betätigt zu haben. Zur selben Zeit wurde bei ihm in der Wohnung in der Sandstraße 71 ein Radiogerät von der Staatspolizei gefunden. Laut Anklage habe er damit mehrere Male deutschlandfeindliche Sendungen aus Moskau gehört und anschließend kommunistische Nachrichten illegal verbreitet, sodass es auf Grund des Gesetzes vom 26. Mai 1933 über die Einziehung kommunistischen Vermögens beschlagnahmt wurde. Am 10. November 1936 wurde Arthur Rosenbaum aus der Untersuchungsanstalt Düsseldorf-Derendorf entlassen. Die Wohnung sowie die Geschäftsräume Arthurs wurden in der folgenden Zeit mehrfach durchsucht. Dennoch war ihm nicht nachzuweisen, dass er mit ausländischen oder emigrierten Kommunisten in Verbindung stand. 

Wenige Tage nach der Reichspogromnacht wurde Arthur Rosenbaum am 14. November 1938 im Rahmen einer Protestaktion gegen Juden festgenommen und drei Tage später im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Registriert wurde er über die Häftlingsnummer 30115. Seine Ehefrau Mathilde kämpfte für seine Freilassung und beantragte die Entlassung Arthurs aus der Schutzhaft mit dem Nachweis, dass er im Ersten Weltkrieg an der Front gekämpft habe. Ihre Bemühungen waren erfolgreich, sodass Arthur am 20. Januar 1939 aus dem Konzentrationslager Dachau entlassen wurde.

 

Emigration und Deportation 

Arthur Rosenbaum meldete sich ausweislich des Einwohnermeldeamtes am 14. April 1939 mit seiner Ehefrau Mathilde nach Meknes, Französisch Marokko, ab. Die Tochter Ingeborg war bereits am 22. März 1939 nach dorthin abgemeldet. Entgegen der Angaben ist jedoch davon auszugehen, dass die Familie Rosenbaum sofort nach Belgien flüchtete und sich in Brüssel aufhielt. Dort wurde sie vom Hilfskomitee der israelischen Gemeinde Brüssel unterstützt, weil Arthur keine ausreichende Lebensgrundlage finden konnte. Am 4. Juli 1940 wurde den Familienmitgliedern durch die Bekanntmachung im Reichs- und Preußischen Staatsanzeiger die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Sie waren damit staatenlos. 

Am 15. Mai 1940 wurde Arthur Rosenbaum beim Einmarsch der deutschen Truppen in Brüssel verhaftet. Über Le Fauga-Mazères, Frankreich, wurde er zunächst nach St. Cyprien deportiert. Da das Internierungslager Ende 1940 geschlossen wurde, war er vermutlich einer von 3.870 meist jüdischen Personen, die in das Lager Gurs verschleppt wurden. Später war Arthur Häftling in dem Internierungslager Les Milles. Von dort wurde er in das Sammellager Drancy zwangsverlegt. Mit dem Transport vom 7. September 1942 wurde er ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo er am 9. September 1942 ankam. Bei der dortigen Registrierung erhielt Arthur Rosenbaum die Häftlingsnummer 63.201. Im Krankenbuch des Blocks 28 wurde mit Datum vom 15. Januar 1943 verzeichnet, dass Arthur nach Birkenau verlegt wurde. Höchstwahrscheinlich ist er noch am selben Tag in den Gaskammern ermordet worden.

Mathilde reichte im April 1941 ein Scheidungsgesuch ein, indem sie anführte, sie wolle ihr Leben und das ihrer Tochter nicht in einem Internierungscamp verbringen und reiche deshalb unter diesen Umständen die Scheidung ein. Es gibt in der Heiratsurkunde jedoch keinen Randvermerk darüber, dass die Scheidung tatsächlich vollzogen wurde. Zudem beantragte sie eine Verlängerung der Reisepässe für sich und ihre Tochter. 

 

Das Leben nach dem Krieg

Die beiden Frauen hielten sich bis Dezember 1946 in Brüssel auf und wurden von der Wohlfahrt St. Josse-ten-Noode unterstützt. 

Mathilde wanderte später nach Casablanca in Marokko aus, heiratete am 19. Juli 1947 den aus Gelsenkirchen stammenden Heinrich Steinberg und führte mit ihm eine lange und glückliche Ehe. In einer Rückerstattungsakte der Regierung in Düsseldorf vom 23. November1957 wurde Mathilde stellvertretend für Arthur eine „Entschädigung für Schäden an der Freiheit“ in Höhe von 6.900 DM zugesprochen. Des Weiteren wurden ihr 3.660 DM als Entschädigung für „Schäden im beruflichen Fortkommen durch Verdrängung“ gezahlt. 

Inge heiratete 1946 den englischen Soldaten Thomas Charlesworth und ging mit ihm nach England, wo sie zwei Töchter (Monique und Lorie) bekamen. In England konnte Inge ein neues Leben anfangen. Doch sie war traumatisiert und konnte über ihr Schicksal in ihrem Heimatland und ihrer Heimatstadt zeitlebens nicht sprechen. Tom und Inge ließen sich 1958 scheiden. Später heiratete Inge ihre große Liebe, den Franzosen René Cocard, und lebte in Mülheims Partnerstadt Tours, wo sie 2019 verstorben ist. 

Inge Rosenbaums Tochter, die in England lebende deutsch-englische Drehbuchautorin und Schriftstellerin Monique Charlesworth, hat ein Jahr in Hamburg gelebt und Germanistik und Romanistik studiert. Über die Lebensgeschichte ihrer Mutter, hat sie 2023 ein Buch veröffentlicht mit dem Titel „Mother Country – A Story of Love und Lies“.

 

Verlegeort Eppinghofer Straße 134

Verlegedatum 24. Mai 2019

Verfasst von A. Mehler und D. Bakum