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Mülheimer Kinogeschichte

Das Wort Kino ist eine Abkürzung und leitet sich ab vom Kinematographen (frz. cinématographe), einer Erfindung der französischen Brüder Auguste und Louis Lumière. Das  Gerät konnte Filme sowohl aufnehmen als auch abspielen und war die Grundlage für die Entwicklung der Kinotechnik. Die erste öffentliche Vorführung des Kinematographen vor zahlendem Publikum fand am 28. Dezember 1895 in Paris statt. Dabei zeigten die Brüder Lumière zehn selbstgedrehte Kurzfilme. Dies gilt gemeinhin als die Geburtsstunde des Kinos, das sich in den kommenden 120 Jahren auf bemerkenswerte Weise wandeln und weiterentwickeln sollte.

Vorgänger der Filmtheater waren Schaubuden und Panoptiken auf Jahrmärkten, die die Menschen mit „laufenden Bildern“ und „lebenden Fotografien“ in ihren Bann schlugen. Erste kinoartige Filmvorführungen für ein zahlendes Publikum gab es im November 1895 in Berlin. Einen Monat lang präsentierten dort die Brüder Skladanowsky im Varieté  Wintergarten ihre Filme – als Schlussnummer eines Varieté-Programms. Größeren Einfluss auf die Kinogeschichte sollten jedoch die Brüder Lumière mit ihrem Kinematographen haben, der sich gegen deutsche und amerikanische Konkurrenzprodukte durchsetzte.


Die Anfänge des Kinos

Die Filme der frühen Jahre zeigten meist alltägliche Szenen oder gespielte Witze. Sie waren nur wenige Minuten lang, schwarzweiß, stumm und häufig integriert in das Programm von Varietés. So sind für Mülheim an der Ruhr bereits im Jahre 1905 Filmvorführungen im Varieté Mülheimer Hof anhand von Werbeanzeigen nachweisbar. Auch Gaststätten wurden in vielen Fällen für kinoartige Präsentationen genutzt und – vorübergehend oder dauerhaft – zu diesem Zweck umgebaut. Ein Mülheimer Beispiel ist der Kaisersaal in der Eppinghofer Straße. Ursprünglich ein Restaurationsbetrieb, wurde daraus im Laufe der Jahre zunächst Meyers Lichtspiel-Palast und später dann die Schauburg. Seit November 1906 sind dort Kinoveranstaltungen nachweisbar.

Der erste professionelle Kinobetrieb in Mülheim an Ruhr geht auf einen gewissen Nikolaus Meyers zurück, der um 1907 aus Aachen zugezogen war. Gemeinsam mit seiner Frau Hedwig – sie selbst war gebürtige Dresdenerin – eröffnete er Ende 1907 das Thalia-Theater in der Leineweberstraße, das später  in Zeitungsanzeigen auch als Meyers Thalia-Theater beworben wurde. Damit war er der Konkurrenz nur um eine Nasenlänge voraus, eröffnete doch Albert Ummelmann wenig später in der Bachstraße das Viktoria-Theater als zweites Kino am Platze. 1911 übernahm der geschäftstüchtige Nikolaus Meyers die Gaststätte Kaisersaal, baute diese um und eröffnete im September 1911 mit Meyers Lichtspiel-Palast das dritte Mülheimer Kino.

Bis zum Ersten Weltkrieg sollten noch weitere Spielstätten hinzukommen: 1909 das Biotophon Theater im Kohlenkamp, 1911 die Elektrische Lichtbühne in der Leineweberstraße (zuvor Centralhalle Mentzen, später Uhu-Lichtspiele), 1912 das Union-Theater (ebenfalls im Kohlenkamp) sowie - vermutlich im gleichen Jahr - das Apollo am Löhberg.

Nicht wenige dieser Filmtheater durchlebten schwere Zeiten, was wohl dem Ersten Weltkrieg und den damit verbundenen wirtschaftlichen Problemen geschuldet war. Immer wieder kam es zu Pleiten, Schließungen und Neueröffnungen. So musste Meyers Lichtspiel-Palast im September 1915 den Betrieb einstellen. Das Kino wurde dann von Philipp und Mathilde Neuser übernommen, die bereits in Essen Kinos betrieben und dort entsprechende Erfahrungen gesammelt hatten. Unter dem Namen Schauburg eröffnete das Kino am 11. September 1915 – wenige Tage nach der Schließung durch die Vorgänger – wieder seine Tore. 1919 wurde dann auch das Apollo von dem Ehepaar Neuser übernommen und zusammen mit der Schauburg fortan als Vereinigte Theater Schauburg/Apollo betrieben.


Die 1920er-Jahre

Um 1920 kamen Langspielfilme mit einer Spieldauer von etwa 60 Minuten auf; sie waren jedoch immer noch stumm. Erst ab etwa 1927 etablierte sich der Tonfilm in Deutschland und begann den Stummfilm zu verdrängen. Eine Präsentation von mehreren Filmen innerhalb einer Vorstellung war nach wie vor üblich; der Hauptfilm wurde in der Regel zuletzt als Höhepunkt der Veranstaltung gezeigt.

In den deutschen Metropolen entstanden nun immer mehr Großkinos. Die sogenannten „Filmpaläste“ weckten Assoziationen an elegante Theaterbauten, prunkvolle Opernhäuser und antike Paläste. Sie boten dem Besucher Unterhaltung, kulinarische Genüsse und vieles mehr. Es waren gewissermaßen überdachte Jahrmärkte, die Platz boten für Hunderte, manchmal auch Tausende von Besuchern. So fasste etwa der Mercedes-Palast in Berlin (eröffnet 1927) 2.500 Personen, der UFA-Palast am Gänsemarkt in Hamburg (1929) sogar 2.665. In den Vereinigten Staaten entstanden in dieser Zeit die größten Kinos, nicht selten mit über 3.000 Sitzplätzen pro Saal. Der Gigant unter den dortigen Kinos war das Roxy Theatre in New York mit 5.920 Plätzen (in einem Saal!).

In Mülheim sollte es jedoch noch ein wenig dauern, bis der Trend des Großkinos auch dort ankam. Zunächst öffnete 1921 ein weiteres Kino: das Moderne Theater in der Bachstraße. Auch der Löwenhof, dessen Name ab 1920 nachweisbar und ab 1927 untrennbar mit dem Betreiber Max Uhle verbunden ist, etablierte sich als feste Größe in der Eppinghofer Straße. Zunächst eine Gaststätte unter den wechselnden Namen Tonhalle,  Unser Fritz und Löwenhof mit gelegentlichen Filmvorführungen, wandelte sich dieser Betrieb nach einem Komplett-Umbau 1927 zu einem professionellen Kino. Am 9. September 1927 fand die feierliche Eröffnung statt.

Sechs Kinobetriebe sind gegen Ende der 1920er-Jahre in Mülheim nachweisbar: die Schauburg (Eppinghofer Straße 8-10) mit 689 Sitzplätzen, der Löwenhof  (Eppinghofer Straße 76) mit 600 Plätzen, das Moderne Theater (Bachstraße 13) mit 478 Plätzen, das Apollo (Löhberg 43) mit 471 Plätzen, das Union-Theater (Kohlenkamp 11) mit 300 Plätzen sowie die Uhu-Lichtspiele (Leineweberstraße 28).

Die Zwanziger Jahre brachten zudem einen Umbruch in der Kinobranche. Nachdem 1927 in den USA der erste abendfüllende Spielfilm mit Ton präsentiert worden war, rüsteten die Kinos weltweit innerhalb von nur wenigen Jahren die Technik in ihren Sälen um. Bis 1936 hatte der Tonfilm den Stummfilm vollständig abgelöst.


Die 1930er- und 1940er-Jahre

Die nächsten zwei Jahrzehnte waren bestimmt von der Einführung des Farbfilms. 1935 wurde in den USA erstmals ein Kinostreifen in Farbe präsentiert (auf der Grundlage des sogenannten Technicolor-Verfahrens). Der endgültige Durchbruch kam aber erst zwei Jahre später mit Disneys Zeichentrickfilm "Schneewittchen und die sieben Zwerge" (1937). Es folgten erfolgreiche Filme wie "Robin Hood, König der Vagabunden" (1938), "Der Zauberer von Oz" (1939) sowie der Oscar-prämierte Film "Vom Winde verweht" (1939). Die deutsche Filmindustrie setzte auf das konkurrierende, in Deutschland entwickelte Agfacolor-Verfahren und präsentierte 1940 ihren ersten Farbstreifen, den Naturfilm "Bunte Kriechtierwelt". Es folgten Spielfilme wie "Frauen sind doch bessere Diplomaten" (1941), "Die goldene Stadt" (1942), "Münchhausen" (1943) und "Große Freiheit Nr. 7" (1944).

Der allgemeine Kinoboom bescherte Mülheim in den 30er-Jahren drei neue Filmtheater: die Lichtburg in Saarn, das Odeon in Styrum sowie das Großkino UFA-Palast, das als erster Kino-Zweckbau entstand und mit knapp 1.000 Sitzplätzen Mülheims Status als Großstadt unterstrich. Bauherr dieses Kinos war ein Privatmann mit cineastischer Neigung, der Mülheimer Rechtsanwalt und Notar Dr. Otto Niehoff. Zur feierlichen Eröffnung des Filmpalasts am 20. Dezember 1938 wurde der UFA-Film "Der Blaufuchs" gezeigt. Stars des Films waren die damals populären Schauspieler Zarah Leander, Willy Birgel und Paul Hörbiger.

Der große Bombenangriff auf Mülheim an der Ruhr in der Nacht vom 22./23. Juni 1943 bereitete dem Kinovergnügen – zumindest im Stadtzentrum – vorerst ein Ende: Alle sechs Innenstadtkinos wurden getroffen und dabei teilweise oder komplett zerstört, ebenso das Odeon in Styrum. Lediglich die Lichtburg in Saarn blieb verschont und konnte ihren Spielbetrieb ab August 1943 fortsetzen. Auch der UFA-Palast brannte in der Bombennacht aus, wurde jedoch aus Propagandagründen als kriegswichtiger Betrieb behelfsmäßig wieder instandgesetzt. Bis zu seiner Wiedereröffnung im September 1944 wurden die Filmvorführungen der UFA in den Altenhof verlegt und ergänzten später das Angebot im wiederhergestellten Filmpalast an der Schloßstraße. Auch das Moderne Theater in der Bachstraße wurde repariert und konnte im Laufe des Jahres 1944 den Spielbetrieb wiederaufnehmen. Im Oktober 1944 waren trotz der Kriegseinwirkungen fünf Kinos (wieder) in Betrieb: die Lichtburg, das Moderne Theater, die beiden UFA-Spielstätten sowie die Mülheimer Lichtspiele in der Kaiserstraße 72. Hinter dieser letzten Adresse verbirgt sich die Jahnhalle der Mülheimer Turngemeinde 1856 e.V., die in der späten Kriegs- und frühen Nachkriegszeit unter dem Namen Majestic für Filmvorführungen zweckentfremdet wurde.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, dem Wiederaufbau und der Sehnsucht der Deutschen nach Ablenkung und Freizeitvergnügen erlebte die deutsche Kinolandschaft nach 1945 einen neuen Boom. Schon Ende 1946 sind sieben Kinos in Mülheim nachweisbar, davon vier in der Innenstadt. Der im Krieg zerstörte Löwenhof, ehemals in  der Eppinghofer Straße 76 neben dem Bahnhof gelegen, war an der Eppinghofer Straße 41 in Selbsthilfe neu entstanden. Der Betreiber Max Uhle hatte bereits 1943 – also unmittelbar nach der Zerstörung des alten Gebäudes – mit den Arbeiten begonnen und konnte den neuen Löwenhof im November 1946 eröffnen. Bis zum Wiederaufbau und der Wiedereröffnung der zerstörten Stadthalle im Oktober 1957 diente dieses Kino zudem als Veranstaltungsort für städtische Konzerte und Theateraufführungen.

Zum Ende der 1940er-Jahre sind bereits neun Kinos im Mülheimer Adressbuch aufgelistet: das Apollo-Theater in Speldorf, die Monning-Lichtspiele (ebenfalls Speldorf), die  Lichtburg in Saarn, die Ruhr-Lichtspiele in Heißen, die Viktoria-Lichtspiele in Styrum  sowie die Innenstadtkinos Löwenhof, Modernes Theater, Majestic (Mülheimer Lichtspiele) und nicht zu vergessen der UFA-Palast, jetzt unter dem Namen Palast-Theater.


Die 1950er-Jahre

Ähnlich wie die "Goldenen Zwanziger" waren auch die 1950er-Jahre eine Hochzeit für das Kino in Deutschland. Das Fernsehen steckte noch in den Kinderschuhen und Videotheken oder Internet-Streamingdienste waren noch unbekannt. Auf der Suche nach Unterhaltung strömten die Leute scharenweise in die Kinos. Aber nicht nur Spielfilme lockten die Kinogänger. Auch Dokumentationen wie "Eine Königin wird gekrönt" (1953) über die Krönung von Königin Elisabeth II. oder Naturfilme wie "Kein Platz für wilde Tiere" (1956) von Bernhard und Michael Grzimek fanden ihren Weg auf die Kinoleinwand.

Zahlreiche neue Kinos entstanden in Mülheim an der Ruhr, vor allem in den Vororten, wo meist ehemalige Gaststätten zu Vorführsälen umgebaut wurden. Die Schauburg wurde im November 1954 nach einer langen Zeit des Umbaus am neuen Standort Viktoriaplatz im Geschäftshaus „Priel“ wiedereröffnet. Sie löste das Palast-Theater als größtes Kino in Mülheim ab und sollte der letzte Kinoneubau der Nachkriegszeit bleiben. Wenige Monate zuvor war im Juli 1954 der ewige Konkurrent, das Palast-Theater, nach Umbauarbeiten ebenfalls wiedereröffnet worden. Ein Jahr davor – 1953 – war direkt daneben auf der Schloßstraße die Kamera entstanden, mit 522 Plätzen etwa halb so groß wie das Palast-Theater und in der Hand desselben Betreibers.

In den Vereinigten Staaten boomte aufgrund der wachsenden Motorisierung der Bevölkerung nicht nur das klassische Kino, sondern darüber hinaus eine ganz neue Form des Filmvergnügens: das Autokino. Auch in Mülheim gab es große Pläne für diese besondere Form des Open Air Kinos (damals noch ganz bieder-deutsch als „Freilichtkino“ tituliert). Der Betreiber des Löwenhofs Max Uhle beabsichtigte, in unmittelbarer Nähe zur Autobahn die Film-Autobühne, zu errichten: ein Autokino für 600 Pkws mit einer 312 qm großen Leinwand. Im Oktober 1954 wurde dieses Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt, jedoch letztendlich nie verwirklicht. Eine weitere Vision von Uhle war der Marmorpalast an der Ruhr, ein kombiniertes Film-, Operetten- und Varieté-Theater mit 1.500 Sitzplätzen, das sich an Vorbildern in Paris und Amsterdam orientierte. Auch dieses Projekt entsprang der allgemeinen Kinobegeisterung dieser Zeit, wurde aber nicht  umgesetzt.

Bis 1960 wuchs die Zahl der Kinos im Mülheimer Stadtgebiet auf 15 bei einer Kapazität von insgesamt 8.175 Sitzplätzen. Eine Übersicht der filmverleihenden Industrie (Stand: 1959) enthält dazu folgende Angaben:

SchauburgViktoriaplatz 141036 Plätze  
Palast-Theater Schloßstraße 91010 Plätze
LöwenhofEppinghofer Straße 41887 Plätze
Odeon (Styrum)       Oberhausener Straße 146-148594 Plätze
Scala (Broich)   Duisburger Straße 173560 Plätze
Apollo (Speldorf)  Duisburger Straße 265540 Plätze
KameraSchloßstraße 5-7522 Plätze
Ruhr-Lichtspiele (Heißen)       Kruppstraße 30499 Plätze
Corso Aktienstraße 241450 Plätze
Modernes Theater    Bachstraße 25413 Plätze
Viktoria (Styrum)Schwerinstraße 21406 Plätze
Lichtburg (Saarn)Düsseldorfer Straße 59-61380 Plätze
Central (Dümpten)Denkhauser Höfe 50327 Plätze
Resi (Dümpten)Wittkampstraße 1296 Plätze
Rixi (Selbeck)Kölner Straße 397255 Plätze

Von den 1960er-Jahren bis 2010

Gegen Ende der 1950er-Jahre begannen die Besucherzahlen in den deutschen Kinos zu sinken. Die zunehmende Anzahl der Fernsehapparate in privaten Haushalten machte sich bemerkbar und begann, dem Kino Konkurrenz zu machen. In vielen deutschen Städten verschwanden als Erstes die Nachaufführungstheater, später auch zahlreiche Erstaufführungshäuser, bis oft nur noch ein Kino übrigblieb. Auch die meisten Mülheimer Kinos schlossen in den 1960er Jahren. Die verbliebenen Kinos versuchten zu überleben, indem sie ihre großen Säle in mehrere kleinere aufteilten: Es entstanden die sogenannten „Schachtelkinos“. So wurde 1975 aus dem Palast-Theater und der Kamera das Kinocenter Schloßstraße mit den vier Teilkinos Camera, Smoky, Cinema und Studio.

Das  Bemühen der Filmgesellschaften, sich mit der Verkleinerung der Säle sowie neuer Ton- und Bildtechnik gegen den Abwärtstrend zu stemmen, blieb jedoch weitgehend erfolglos. Das „Kinosterben“ setzte sich fort, und bis Ende der 1980er Jahre waren viele  Filmtheater aus der deutschen Kinolandschaft verschwunden. So musste das Kinocenter Schloßstraße trotz Umstrukturierungen inklusive Namensänderungen (zuletzt: Cinefactory) im Juli 1989 seine Pforten schließen. Auch der Löwenhof überlebt dieses Kinosterben nicht. Nach dem altersbedingten Rückzug seines charismatischen Betreibers Max Uhle im Sommer 1972 ging das Kino zunächst an einen Pächter aus Düsseldorf und wurde dann einige Jahre später - begleitet von zahlreichen Protesten und Hausbesetzungen – ein Opfer der innerstädtischen Verkehrsplanung. Im Oktober 1980 erfolgte der Abriss des traditionsreichen Gebäudes.

Andere Kinos verschwanden zwar nicht aus der Kinolandschaft, wechselten aber dafür häufig den Besitzer. So etablierte sich 1974 unter dem Namen City-Nonstop-Kino erstmals ein Kino im neuen innerstädtischen Einkaufszentrum City Center (heute Forum). Nach dem Ausbau und der Erweiterung von einem auf sechs Säle wurde daraus 1982 das City Kino Center. Dieses schloss 1991, wurde aber unter einem neuen Betreiber 1993 als Warner Brothers 8-Kinozentrum – jetzt mit acht statt sechs Sälen – neu eröffnet. Unter dem Namen Union Kinos bzw. Cinemotion wurde der Kinokomplex dann noch von zwei weiteren Betreibern bespielt, bevor 2013 das Unternehmerpaar Thies den Betrieb übernahm und als Filmpassage neu eröffnete.

Anfang der 1990er-Jahre erreichte ein neuer Trend aus den USA die deutsche Kinowelt.  Das Konzept des Multiplex-Kinos – großflächige Leinwände, arena-artige Saalstruktur mit ansteigenden Sitzreihen, Gastronomie mit Bars und Cafés – sorgte für eine Wiederbelebung der Kinolandschaft. Im Oktober 1990 öffnete das erste deutsche Multiplexkino in Hürth bei Köln seine Pforten.  Ein Jahr später folgten weitere Multiplexe, darunter das in unmittelbarer Nachbarschaft zu Mülheim gelegene Cinemaxx in Essen –  mit 5.370 Plätzen in 16 Sälen das größte Multiplex-Kino Deutschlands. Zum Vergleich: Im größten Kino der Stummfilmzeit, dem bereits erwähnten New Yorker Roxy Theatre, fanden rund 6.200 Besucher Platz – in nur einem einzigen Saal. Und auch das einst größte deutsche Kino, der Ufa-Palast in Hamburg, kam in nur einem Saal auf 2.665 Sitzplätze. Das erste Multiplex-Kino auf Mülheimer Stadtgebiet, das im Rhein-Ruhr-Zentrum untergebrachte Cinemaxx Mülheim, wurde 1998 eröffnet.

Eine weitere cineastische Entwicklung war das Entstehen von Programmkinos oder Filmkunstkinos, die künstlerisch anspruchsvolle Autorenfilme zeigten und sich vor allem in Groß- und Universitätsstädten etablierten. So gab es in den 1970er Jahren in Mülheim eine Schüler-AG der Gustav-Heinemann-Gesamtschule, die mit ihrem kinobegeisterten Lehrer Ulrich Stiewe anspruchsvolle Filmvorführungen besuchte schließlich sogar ein eigenes Kinoprogramm auf die Beine stellte. Seit 1978 zunächst als Gast im Löwenhof angesiedelt, zog das Schülerkino nach dessen Abriss in eigene Räumlichkeiten und erlangte als Kino am Kassenberg eine gewisse Berühmtheit. Von 1981 bis 1985 lag die  Spielstätte am Kassenberg, bevor die Gruppe noch einem kurzen „Asyl“ im Kino-Center Schloßstraße schließlich 1986 unter dem Namen Heavens Gate (später Hell`s Gate) in der Alten Post eine neue Heimat fand.

Auf Initiative des damals noch in Mülheim an der Ruhr beheimateten Filmbüros NRW entstand 1995 das Programmkino Rio im ehemaligen Museumsgebäude an der Schlossbrücke. Das städtische Kulturamt stellte die Räumlichkeiten und bezahlte die notwendigen Umbauarbeiten, das Filmbüro finanzierte die Einrichtung und ein Kinobetreiber aus Essen übernahm die Bespielung. Im September 1995 wurde das Kino in Anwesenheit des NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau mit einem Festakt eröffnet. 12 Jahre später verlor das Rio durch den Verkauf der Immobilie an einen privaten Investor und den Umbau zu hochwertigem Wohnraum seine Spielstätte und musste im März 2007 schließen. Zweieinhalb Jahre ruhte der Betrieb, bis es im Oktober 2009 zur Wiedereröffnung des Kinos am neuen Standort im Medienhaus am Synagogenplatz kam.


Die Mülheimer Kinolandschaft heute

Im Mai 2022 lässt sich feststellen, dass die Kinolandschaft in Mülheim an der Ruhr geschrumpft und überschaubar geworden ist. Der Besucher hat heute die Wahl zwischen lediglich zwei Spielstätten, wobei die Anzahl der Kinosäle und somit der parallel gezeigten Filme natürlich höher ist. Nach wie vor gibt es das Rio (80 Plätze) - als einziges Filmkunstkino vor Ort - sowie das Multiplexkino Cinemaxx Mülheim im Rhein-Ruhr-Zentrum. Seit Anfang 2022 geschlossen ist die Filmpassage im Forum.

(Bearbeitete und aktualisierte Fassung von "Vom Kinematographen zum Multiplex: Mülheimer Kinogeschichte" von Jens Roepstorff, abgedruckt in: Mülheimer Jahrbuch 2017, S. 208-217)